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FU sucht Präsidenten"Ich will eine Netzwerkuni"

Mitte Mai wählt die Freie Universität ihren neuen Präsidenten. Aussichtsreichster Kandidat ist der Literaturprofessor Peter-André Alt. Er setzt auf Dialog und möchte Lehrveranstaltungen international verkaufen.

Nicht immer geht es an der FU so brav zu. Bild: reuters
Interview von Laurence Thio

taz: Herr Alt, Sie sind Kafka-Forscher. Dessen Roman "Das Schloss" beschreibt, wie zermürbend Bürokratie ist. Jetzt bewerben Sie sich um das Amt des Präsidenten der Freien Uni. Warum tun Sie sich das an?

Peter-André Alt: Gerade um zu verhindern, dass die Verwaltung Kafka-artig wird. Ich schätze die Freie Universität sehr und habe sie aus verschiedenen Blickwinkeln kennengelernt: als Student, Assistent und als Hochschullehrer. Jetzt möchte ich gern mehr Verantwortung übernehmen.

Als Präsident müssen Sie taktieren, gestalten, sich durchsetzen - auf Uni-Ebene wie auf Senatsebene. Sind Sie als Literaturwissenschaftler überhaupt genug Politiker für das Amt?

FU im Wahlkampf

Drei Kandidaten treten am heutigen Mittwoch im Akademischen Senat der Freien Universität (FU) gegeneinander an. Ihr Ziel: das Präsidentenamt. Der Informatiker Raúl Rojas, die Politologin Christiane Lemke und der Literaturwissenschaftler Peter-André Alt sprechen vor. Anschließend gibt der Senat unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine Wahlempfehlung. Dies ist ein Vorentscheid zur Präsidentschaftswahl am 12. Mai. Denn nur wer heute nominiert wird, darf auch zur Wahl antreten.

Der letzte Unipräsident Dieter Lenzen ließ sich im vergangenen Herbst überraschend an die Spitze der Uni Hamburg wählen. Seit vier Wochen ist die FU nun offiziell kopflos. Der künftige Präsident muss die Hochschule mit rund 31.000 Studierenden schnell auf Kurs bringen, denn die zweite Runde des Exzellenzwettbewerbs beginnt im September. In diesem Wettbewerb konkurrieren Hochschulen bundesweit um die Förderung ihrer Forschungs- und Zukunftskonzepte. Insgesamt stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2,7 Milliarden Euro bereit.

Favorit für das Präsidentenamt ist der Literaturwissenschaftler Peter-André Alt. Er könnte vor allem durch seine bisherigen Erfahrungen im Exzellenzwettbewerb punkten. Im Akademischen Senat gehört er der leistungsorientieren "Vereinten Mitte" an; aus diesem politischen Kreis kam auch Lenzen. Aber auch eher linke Mitglieder im Senat werden wohl für ihn stimmen. "Ich sehe sowohl bei den Konservativen als auch den Sozialliberalen Mehrheiten für Alt. Er steht für einen Integrationskurs", sagte Hajo Funke, Politikprofessor und Senatsmitglied.

Gegenkandidat Raúl Rojas hält den Ablauf der Präsidentenwahl für vorschnell. "Das Hauptmotiv meiner Kandidatur ist es, eine Diskussion über Demokratisierung, Struktur und Zukunft der FU anzustoßen", sagt der Informatiker. Rojas gilt als Vordenker und hat zahlreiche kontroverse Vorschläge in die Zukunftsdebatte eingebracht. Auf längere Sicht strebt er eine Fusion mit der Technischen Universität an. Fraglich ist allerdings, ob die FU sich so kurz vor dem Exzellenzwettbewerb überhaupt auf Experimente einlässt. Zudem fehlen Rojas politische Seilschaften.

Die dritte Kandidatin ist Christiane Lemke. Sie studierte an der FU, hat die Verwaltung des niedersächsischen Landtags geleitet und ist Politikprofessorin an der Uni Hannover. "Ich setze mich für die Internationalisierung und Vernetzung der FU ein", sagte Lemke. Auch sie hat keine politischen Seilschaften an der Hochschule. Darin sehe sie jedoch eher einen Vorteil, betont Lemke: "Für die Freie Universität wäre es eine Chance, die hochschulpolitischen Lager zu überwinden." LAURENCE THIO

Es ist die Frage, ob man als Präsident taktieren muss. Ich möchte nicht taktieren, ich möchte eine transparente Kommunikation. Das war mein Stil als Dekan des Fachbereichs für Philosophie und Literaturwissenschaft und als Direktor der Dahlem Research School - so werde ich es auch als Präsident fortsetzen. Ich glaube, dass jemand, der eine Universität leitet, berechenbar sein muss.

Wie unterscheiden Sie sich von Ihrem Vorgänger Dieter Lenzen? Er war vor allem als Hochschulmanager mit autoritärem Führungsstil bekannt.

Wir sind vom Typus unterschiedlich. Ich habe einen starken Wunsch nach Dialog. Ich würde mich aber nicht als jemanden sehen, der alles nur diskutiert, sondern auch Entscheidungen fällt.

Ist das Ihre Strategie für Verhandlungen mit Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner? Ihrem Vorgänger haben die politischen Querelen so zugesetzt, dass er an die Uni Hamburg gewechselt ist.

Ich habe keine Angst vor Verhandlungen mit dem Wissenschaftssenator. Natürlich ist die Politik in einem Stadtstaat wie Berlin mit begrenzten Mitteln und hohen Schulden kein einfacher Partner. Unsere Interessen können auseinandergehen, ich werde die FU mit Mut zur Kante, zu klaren Positionen und, wo nötig, zum Widerstand vertreten. Als Grundlage für die Verhandlungen mit dem Senat sehe ich das gemeinsame Ziel, Lehre und Forschung in Berlin so gut wie irgend möglich auszustatten. Ich gehe also nicht davon aus, dass wir uns verkeilen und streiten werden.

Eines der Hauptprobleme des zukünftigen Präsidiums ist die Hochschulfinanzierung. Diese wird nach den neuen Hochschulverträgen leistungsabhängig vergeben. Zulassungszahlen, die Zahl der Studienabschlüsse und eingeworbene Forschungsmittel sind bestimmend. Wie gehen Sie damit um?

Die starke Leistungsabhängigkeit ist tatsächlich ein Problem. Wenn uns Forschungsverbünde wegbrechen, werden wir doppelt bestraft: Drittmittel und öffentliche Mittel bleiben aus. Das zweite Problem ist, dass wir für erbrachte Leistungen immer erst im folgenden Jahr belohnt werden. Das zwingt uns weiter, Drittmittel in großem Umfang einzuwerben. Eine Diskussion, ob Forschung so stark drittmittelabhängig sein sollte, können wir uns nicht leisten. Wir müssen die Abhängigkeit akzeptieren.

Haben Sie weitere Pläne, die Finanzierung der Hochschule zu sichern, vielleicht sogar unabhängiger zu machen?

Ich sehe Spielräume. Wenn wir uns als internationale Universität positionieren, dann können wir eigene Erträge sichern. Indem wir beispielsweise Lehrveranstaltungen gegen Gebühren an finanzstarke Partneruniversitäten im Ausland exportieren.

Wie verkauft man Seminare?

Es geht um multimediale Seminare in Form von Videos und Internetpräsentationen. Beraten werden die Studierenden in Foren, über Facebook und Webspace-Connections. Seminartexte und Unterrichtsmaterialien sind ebenfalls online abrufbar. Ein Bachelorstudiengang aus den Wirtschaftswissenschaften, der auf Englisch läuft, kann ohne weiteres an asiatische oder osteuropäische Partneruniversitäten verkauft werden. Der arabische Markt wird bereits durch die USA abgedeckt, die FU hat mit China eine enge Kooperation. Dort gibt es reges Interesse.

Steht FU also bald für Fern-Uni?

Nein, aber als moderne, internationale Universität sollten wir diese Möglichkeiten ins Kalkül ziehen. Unsere Büros in Beijing, Brüssel, New York, Delhi und Moskau könnten als Plattformen vor Ort funktionieren. Das wäre auch eine logische Fortsetzung der internationalen Netzwerkuniversität.

Sosehr Ihr Vorgänger Lenzen auch polarisierte - er hat mit der FU den Exzellenzwettbewerb gewonnen. In diesem Jahr beginnt die nächste Runde des Wettbewerbs. Halten Sie am Zukunfts- und Exzellenzkonzept der Universität fest?

Strategische Einrichtungen, die unter dem Präsidenten Lenzen im Rahmen des Zukunftskonzepts geschaffen wurden, halte ich für wichtig. Sie heben die Uni stärker auf eine strategische Ebene. Gemeint sind die Dahlem Research School, das Zentrum für Internationale Kooperation und das Zentrum zur strategischen Planung. Bei der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs möchte ich diese strategische Ebene aber nicht weiter vergrößern, sondern konzentrieren und - wo notwendig - beschränken. Die Universität hätte wenig Verständnis dafür, wenn wir administrative Elemente stärken und Forschung und Lehre vernachlässigen. Im Zentrum des nächsten Exzellenzantrages steht für mich die Förderung des Nachwuchses.

Sie zielen auf eine bessere Lehre für alle Studierenden ab.

Das ist ja fast schon ein Topos. Für mich heißt es, wir brauchen Lehrprofessuren und Seniorprofessuren mit starkem Einsatz in der Lehre, das Personal muss aufgestockt werden. Mit Kreativität und dem Mut zu neuen Konzepten sollen die Betreuungsstandards verbessert werden. Außerdem sollte die Lehre als Wert an sich aufgewertet werden, beispielsweise durch Preise für herausragende Lehrleistungen. Bei den Berufungsverfahren könnte man Lehrproben zur Bedingung machen, um die Lehrqualität der Bewerber zu messen.

Warum setzen Sie auf Seniorprofessoren?

Seniorprofessoren sind nicht so teuer wie Neuberufungen. Sie sind ein wichtiges Element in meinem Lehrkonzept. Seniorprofessuren sollen natürlich nicht zu Lasten von Neuberufungen gehen. In den USA ist dieses System vollkommen selbstverständlich; auch wir könnten weltweit herausragende Wissenschaftler für fünfjährige Lehrtätigkeiten gewinnen.

In den letzten beiden Semestern haben die Studierenden für bessere Bildung gestreikt. Wie wollen Sie die Probleme der Bologna-Reform beseitigen?

Durch eine breite Diskussion innerhalb der Universität haben wir ein ganzes Bündel an Vorschlägen und Konzepten erarbeitet, die zur Verbesserung des Studiensituation führen werden. Wir werden eine größere Freiheit bei der Wahl von Lehrveranstaltungen und Prüfungstypen haben. In den Fächern, in denen massiver Prüfungsdruck gegeben ist, wird er reduziert.

Wie soll das in einem Schnellstudium, das auf sechs Semester angelegt ist, funktionieren?

Ich plädiere für einen achtsemestrigen Bachelor in den Geisteswissenschaften. Ein Spracherwerb ist in sechs Semestern kaum möglich. Einen Theologen oder einen Philosophen nach sechs Semestern aus der Uni zu entlassen, scheint mir problematisch. Ein erweiterter Bachelor ist natürlich nicht für alle Fächer sinnvoll. Sorge macht mir zurzeit die politische Ebene: Wenn die Universitäten in den Ländern jeweils zu Einzellösungen finden wie einer unterschiedlichen Studiendauer, dann könnte die Immobilität zunehmen. Der Fluch des Bildungsföderalismus ist eine Schwierigkeit. Wir brauchen eine politische Rahmenlösung.

Ein weiteres Problem ist die geringe Zahl an Masterplätzen. Noch bekommen die meisten Studierenden einen Masterplatz, weil es bisher nur wenig Bachelor-Absolventen gibt. Das wird sich bald ändern.

Mit einer Erweiterung des Bachelors auf acht Semester könnte man auch diese Situation teilweise entspannen. Viele Studierende werden nach diesen acht Semestern nicht unbedingt einen Master machen wollen. Wenn das Berufsangebot für Bachelor besser ist, wie beispielsweise bei den Wirtschaftswissenschaftlern, werden nicht 100 Prozent in den Master drängen. Da setze ich auf eine freie Regulierung.

Sie sehen sich als Mann des Dialogs. Zwischen Präsidium und Studierendenschaft hat jahrelang Funkstille bestanden. Wie überwinden Sie diese?

Ich möchte ansprechbar sein für alle. Eine künftige Hochschulleitung wird einmal in der Woche Sprechstunden anbieten, und zwar nicht nur der Präsident, sondern auch die Vizepräsidenten - für alle Statusgruppen. Wenn Studierende mich sprechen möchten, dann stehe ich zur Verfügung.

Wenn Sie Präsident werden, bleibt dann überhaupt noch Zeit zum Kafka-Lesen?

Leider viel zu wenig. Der scheidende HU-Präsident Christoph Markschies hat gesagt: "Ein Präsident der Romane liest, ist ein rare bird." So ein rare bird wäre ich auch gerne.

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1 Kommentar

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  • G
    Gustav

    Es ist längstens Zeit, dass die Uni ihre Vorlesungen und Unterlagen für alle Steuerzahler ins "Netz"

    stellt.

    Die Einführung der Studiengebühren diente nur der Privatisierung der Abschlusserzielung und nicht der Gesellschaft, die eigentlich Interesse an der Ausdehnung des Zugangs zur Bildung haben müsste.

     

    Aber der Ständestaat der BRD will das nicht.