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FLUT: DIE MEDIEN BRAUCHEN DEN FRUST VOR ORT NUR ABZUSCHÖPFENDie Neid-Berichterstattung kommt

Das Katastrophenmanagement der Behörden ist das Gefühlsmanagement der Medien. Parallel zum Nachrichtenfluss aus den Hochwassergebieten kanalisiert die Berichterstattung die Gefühle. Das Mittel dazu ist die Beschwörung. Bislang hatten wir es vornehmlich mit dem „großen Respekt“ vor den Helfern und der „Freude“ über Solidarität und Zusammenhalt zu tun. Das tröstete nicht nur die Opfer und motivierte die Sandsackwerfer, sondern verhalf auch der Regierung zu Pluspunkten.

Was aber passiert, wenn die Emotionen kippen, weil es bei Freude und Respekt nicht bleibt? Wenn die ausgeschwärmten Reporter die Storys von der auf dem Dachboden vergessenen alten Dame in die Redaktionen schicken, von der Familie, die ohne Soforthilfe blieb, von der allein erziehenden Mutter, deren Schulden nicht gestundet werden? Es ist absehbar, dass die Verteilung von Staats- und Spendengeldern die Hochwasserorte noch einmal zerreißen wird. Entlang der Mulde und Elbe baut sich der Frust über Vernachlässigung und Ungleichheit auf, der Neid. Er braucht von den Medien nur noch abgeschöpft zu werden, Rahm für den Boulevard, Gift für die Regierung.

So sicher wie auf die Reportagen über das Katastrophenmanagement die Artikel über die Kritik daran folgten, werden auf die Reportagen über die Flutopfer die Artikel über die Flutgewinnler folgen. In Mitgefühl und Betroffenheit der Flutkonsumenten spiegelten sich das Entsetzen und die Trauer der Geschädigten. Doch der Mitleidsfaden ist kurz, das Publikum schreckstaunt nicht lange.

Die Spendenverteilung wird zu Ungerechtigkeiten führen. Dann zeigt sich der Frust vor Ort über sein Äquivalent – die Arroganz vor dem Bildschirm. Noch ist kaum der erste Euro verteilt, spekulieren die mit den trockenen Füßen schon über Abzocker: Wer sich da wohl seinen dritten Fernseher abgreifen wird, seinen zweiten Kaninchenstall. Man möchte so sehr hoffen, dass die Berichterstattung das Missratene ins Verhältnis zum Gelungenen setzt, den Respekt vor den Opfern und damit sowohl ihre Würde wie die des Publikums wahrt. Wahrscheinlich vergeblich. ULRIKE WINKELMANN

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