FDP schließt Ampel-Koalition aus: Guido grüßt die Grünen
Deutschland steuert auf einen Lagerwahlkampf zu. Die Grünen lehnen eine schwarz-gelb-grüne-Koalition ab, FDP-Chef Westerwelle verweigert sich Rot-Grün-Gelb.
Möglicherweise hätten sich die Grünen eine Menge Ärger sparen können. Da streiten sie monatelang darüber, ob sie in den Bundestagswahlkampf mit der offiziellen Ansage ziehen können, dass sie ein "Ampel"-Bündnis mit SPD und FDP anstreben. Da zerkrachen sich Parteirat und Fraktion kurz vor dem großen Parteitag in Berlin noch darüber, ob nicht stattdessen eine rot-rot-grüne Note gesetzt werden müsste. Und am Tag der Entscheidung, pünktlich zum Wahlparteitag selbst, sagt Guido Westerwelle: Er macht keine Ampel. SPD, Grüne und Linkspartei hätten sowieso fast das gleiche Programm. "Deshalb wird es keine Ampel geben", erklärte der FDP-Chef im Interview mit der Welt am Sonntag.
Bevor er sich nächstes Wochenende auf dem FDP-Parteitag in Hannover zur Wiederwahl stelle, werde er "glasklar sagen, dass wir Schwarz-Gelb wollen", wird Westerwelle zitiert. Wenn es im September nicht für eine bürgerliche Mehrheit reiche, werde er weiter in der Opposition arbeiten. Westerwelle kündigte einen Lagerwahlkampf an. Bei der Bundestagswahl würden die Weichen für die nächsten zwölf Jahre gestellt. Die Deutschen seien vor die Entscheidung gestellt: "Gibt es noch eine strukturelle Mehrheit für eine bürgerliche Regierung, oder geht der Linksrutsch weiter?"
Auf dem Parteitag im Stahl- und Betonkessel des Berliner Velodrom tat die Grünenspitze so, als wären die Aussagen Wasser auf ihre Mühlen. Parteichefin Claudia Roth griff Westerwelle an, der ja nun "großmundig einen Lagerwahlkampf" angekündigt habe: "Westerwelle, wir stellen dich, verlass dich drauf!" Da die Grünen ihrerseits eine "Jamaika"-Koalition mit Union und FDP ausschließen, bekommt die große Koalition damit eine große Chance auf Verlängerung. Eigentlich könnten die Grünen sich jetzt wenigstens den teuren Wahlkampf sparen.
Doch danach sah es am Sonntagmittag nicht aus, als die Wahlaussage mit dem Nein zu Jamaika und hauchzarten Detailverschiebungen für die Rot-Rot-Grün-Freunde endlich mit wenigen Gegenstimmen verabschiedet worden war und die 746 Delegierten gelb-grüne Winkelemente zur Motivationsmusik schwenkten. Es war ja auch richtig was weggeschafft: Am Samstag hatten sie fast das komplette Wahlprogramm rund diskutiert und einstimmig verabschiedet.
Denkbar knapp fiel der Beschluss aus, den geforderten Mindestlohn auf 7,50 Euro festzulegen: mit 305 zu 300 Stimmen setzten sich die Nordrhein-Westfalen durch, die sich nicht dem Verdacht aussetzen wollten, 3,70 Euro wäre ihnen ebenso recht. Vergeblich forderte die Arbeitsmarktpolitikerin Brigitte Pothmer, angesichts der anstehenden Landtagswahlen in den Geringverdiener-Ländern Thüringen und Sachsen nicht die Akzeptanz der ganzen Mindestlohnidee auszuhöhlen.
Ein auch finanziell beträchtliches Zugeständnis nicht nur an linke Grüne, sondern vor allem an die Frauenpolitikerinnen war es, die Anrechnung von Partnereinkommen bei der Hartz-IV-Zumessung zu streichen. So muss ein wirtschaftlich schwacher Partner - in der Regel die Partnerin - nicht vom anderen "miternährt" werden.
In der Rentenpolitik fanden die Grünen einen Kompromiss mit starker Betonung auf Bürgerversicherung und Garantierente für alle - auch die Teilzeitbeschäftigten. Der Parteitag stimmte fast immer dann für einen Vorschlag, wenn dieser Elemente eines Grundeinkommens, also einer hürdenfreien Garantieleistung, trug. Deshalb war es auch nur logisch, dass sich die BefürworterInnen des Kindergrundeinkommens klar gegen die SozialpolitikerInnen durchsetzen konnten, die davor warnten, knappes Geld auch an Gutverdienende auszuschütten.
Realo-Grüne mussten zugestehen, dass es angesichts der Milliarden Euro, die derzeit für Banken bereitgestellt werden, schwer sei, für Ausgabendisziplin zu werben. Und wer in der zentralen Wahlkampfbotschaft verspricht, mit einem Investitionsprogramm von 80 Milliarden Euro in vier Jahren eine Million Jobs zu schaffen, darf sich nicht darüber mokieren, dass mit 7,50 Euro Mindestlohn eine Zahl fixiert ist, die möglicherweise unhaltbar ist.
Doch hatte am Sonntag dank der Ampel-Absage Westerwelles die gesamte Debatte ohnehin eine höhere Art des Unrealismus erreicht. Denn zwar hatten die SpitzenkandidatInnen Renate Künast und Jürgen Trittin ihren Regierungswillen deutlich angemeldet, doch möglicherweise rief Trittin tatsächlich den einzigen Wahlkampfzweck in den Saal, als er die grüne Minimalanforderung nannte: "Wir wollen Schwarz-Gelb verhindern."
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