FDP-Wahlpleite in NRW: Westerwelle kaputt
Nach der Niederlage bei der NRW-Wahl steht FDP-Chef Westerwelle parteiintern in der Kritik. Die Rufe nach einer Teilung seiner Macht werden lauter.
BERLIN taz | Demütigender kann ein Koalitionär mit seinem kleineren Partner kaum umgehen. Angela Merkel verkündete ihr Nein zu Steuersenkungen vor 2013 in dem Moment, in dem auch Guido Westerwelle vor die Presse trat. Dabei hatte der FDP-Vorsitzende schon genug damit zu tun, den Fragen nach einem Richtungswechsel seiner Partei nach der verlorenen NRW-Wahl auszuweichen. Und dann das: Das zentrale Wahlkampf- und Regierungsziel der Freidemokraten wird en passant von der Kanzlerin abgeräumt, und Westerwelle kann dies nur zur Kenntnis nehmen. Der Außenminister wusste, dass es für ihn schwer werden würde, wenn die Fortführung von Schwarz-Gelb in Düsseldorf scheitert. Aber das Ausmaß dessen, was nun über ihn einbricht, dürfte selbst ihn überraschen.
Sichtlich zerknirscht trat der FDP-Chef am Montag vor die Presse und verkündete, seine Partei sei "unverändert der Meinung", dass Steuersenkungen nötig seien. Aber dieses Vorhaben sei natürlich "nicht leichter geworden" durch den Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat. Nun gelte es, "mit allen Beteiligten" Mehrheiten zu organisieren.
Etwas deutlicher wurde die FDP-Vizevorsitzende Cornelia Pieper in einem Radiointerview: Die Situation sei heute eine ganz andere als noch vor einigen Wochen. "Das stellt den Haushalt vor ganz andere Anforderungen. Da muss man einige Ziele überdenken." Doch weder Pieper noch Westerwelle erklärten, welche Ziele die Partei abseits von Steuersenkungen künftig anstrebt - oder mit welchen Mehrheiten sie diese umsetzen will.
Denn einerseits will Westerwelle an seiner Fixierung auf Koalitionen mit CDU und CSU trotz aller Rückschläge festhalten: "Ein Bündnis aus Union und FDP ist das richtige Bündnis für unser Land." Andererseits erklärte er, die FDP in Nordrhein-Westfalen "entscheidet vor Ort" darüber, ob sie mit SPD und Grünen über eine bislang abgelehnte Ampelkoalition verhandele: "Da müssen Sie Professor Pinkwart fragen." Der FDP-Spitzenkandidat erklärte, er lehne ein Bündnis mit Parteien ab, "die sich eine Option auf die Linken offenhalten".
Nach der NRW-Wahl werden parteiintern Forderungen lauter, Westerwelle müsse Macht abgeben. Doch Westerwelle bestritt, dass es ernsthafte Überlegungen gebe, ihm den Parteivorsitz oder das Außenministeramt zu nehmen: "Diese Diskussion hat es nicht im Parteivorstand gegeben. Und das zählt."
Doch die Debatte über neue Inhalte und Personen ist bereits eröffnet. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Lasse Becker, sagte, die Verengung der FDP-Themen auf die Steuerfrage habe der Partei nicht gutgetan: "Wir müssen aus der Steuerfalle raus. Wir müssen uns grundsätzlich neu aufstellen." Bereits am Wahlabend hatte Becker gefordert, neben Westerwelle müsse die Partei weitere Persönlichkeiten in den Vordergrund rücken. Immer wieder genannt werden Gesundheitsminister Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner sowie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Die Position von Parteichef Guido Westerwelle steht nach Ansicht der JuLis nicht infrage. Anders sei das bei seinen Stellvertretern. Insbesondere bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sieht Becker kein klares ordnungspolitisches Profil. "Bei einigen Stellvertretern Westerwelles gibt es noch Luft nach oben", sagte Becker mit Hinweis auf Brüderle und Pieper.
Als sei dies nicht genug Kritik an der FDP-Spitze, monierte auch CSU-Chef Horst Seehofer das Verhalten des Berliner Koalitionspartners. Mit Blick auf die Sozialstaatsdiskussion urteilte er: "Ich habe damals schon gesagt: Das ist eine Debatte, die vor allem dem linken politischen Spektrum in Deutschland dient."
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