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FC Liverpool in der Premier LeagueThe Juergen-Meister

Seit drei Jahren ist Jürgen Klopp Trainer beim Liverpool FC. Diesmal könnte er den Premier-League-Titel holen. Oder scheitert er wieder?

Unter Beobachtung, aber mit Rückhalt: Jürgen Klopp Foto: ap

Liverpool taz | Wenn Jürgen Klopp zur Arbeit erscheint, kommt er auch an sich selbst vorbei. Der Weg zu den Umkleidekabinen im Stadion an der Anfield Road führt über einen langen Gang, durch die sogenannte Mixed Zone, in der sich nach jedem Spiel die Journalisten drängeln, und dann, kurz vor dem Spielertunnel, links um die Ecke.

Die Wände sind mit Sprüchen und Zitaten verziert, mit denen die Bedeutung dieser heiligen Stätte illustriert werden soll. Einer der Sprüche lautet: „This is a place for big football moments.“ Er ist in bronzener Farbe auf rotem Grund geschrieben. Darunter steht, klein und in weißer Farbe, der Name des Autors: Jürgen Klopp. Der deutsche Trainer hat also schon seine Spuren hinterlassen an der Anfield Road.

Die wirklich großen Persönlichkeiten des FC Liverpool, der mit fünf Titeln im Europa­pokal der Landesmeister und der Champions League der erfolgreichste englische Klub im internationalen Fußball ist, sind allerdings nicht nur mit bedeutungsschweren Sprüchen im Umkleidetrakt verewigt. Sie stehen als Statue vor dem Stadion – so wie Bill Shankly, der als Baumeister des Vereins in den Sechzigern und frühen Siebzigern die Basis für späteren Weltruhm legte. Für Klopp geht es in dieser Saison darum, zu Liverpools Ikonen aufzuschließen.

Das sind spezielle Tage für den Verein im Moment. Für Sonntag ist das Spitzenspiel in der Premier League terminiert, Meister Manchester City mit Trainer Pep Guardiola ist zu Gast an der Anfield Road. Am Montag feiert Klopp Jubiläum, seine Vertragsunterschrift jährt sich zum dritten Mal.

Über allem schwebt die Ahnung, dass diese Saison Liverpools Saison werden könnte, dass Klopp dem Verein in dieser Saison endlich mal wieder einen Titel schenken könnte, am besten natürlich die Meisterschaft, auf die Liverpool seit 1990 wartet. Nach den ersten sieben Spielen in der Liga hat die Mannschaft noch kein Spiel verloren und ist punktgleich mit Manchester City, das nur wegen der besseren Tordifferenz an der Tabellenspitze steht, Liverpool ist Zweiter.

„The Normal One“

Wenn man sich am Spieltag am Stadion an der Anfield Road umschaut, dann ist Klopp überall. Die Fanartikel-Händler verkaufen T-Shirts mit abgewandeltem Jägermeister-Logo, anstatt „Jägermeister“ steht darauf „Jürgenmeister“. Das hat zwar mit deutscher Sprache nichts zu tun, ist den Engländern aber egal. Natürlich gibt es auch immer noch die T-Shirts zu kaufen, auf denen Klopp als Karikatur zu sehen ist, mit riesiger Brille und riesigem Grinsen, darüber die Bezeichnung „The Normal One“.

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Diesen Namen hat er sich selbst gegeben, als er sich vor drei Jahren der englischen Öffentlichkeit vorstellte – und sich die Öffentlichkeit umgehend in ihn verknallte. Auf Schals wird Klopp als King of the Kop verehrt. Kop, das ist die berühmte Hintertortribüne an der Anfield Road.

Auf der Mauer an der Esso-Tankstelle in Sichtweite des Stadions sitzen George und Simon. George ist 21, Simon ist „very old“, wie George sagt, nämlich 49. Beide haben einen Bierbecher in der Hand. Klappt es in dieser Saison mit der Meisterschaft? „Seit wir Liverpool gucken, waren die Chancen jedenfalls noch nie so groß wie jetzt. Wir brauchen unbedingt mal wieder einen Pokal für unseren Trophäen-Schrank. Wir sind zu groß, um nichts zu gewinnen“, sagen sie. Mit „wir“, das nur zur Vollständigkeit, ist natürlich der Verein gemeint.

Der Klub platzt fast vor Zuversicht

Als Klopp seinen Dienst in Liverpool antrat, war die Stimmung schlecht und der Verein desillusioniert. Knapp anderthalb Jahre zuvor hatte die Mannschaft unter Trainer Brendan Rodgers den Titel verpasst, weil Kapitän Steven Gerrard im entscheidenden Spiel gegen Chelsea ausgerutscht war. Wenn die beiden Vereine aufeinandertreffen wie zuletzt im Ligapokal (2:1 für Chelsea) und am vergangenen Wochenende in der Liga (1:1), singen Chelseas Fans immer noch davon, wie Gerrard „auf seinen verdammten Hintern“ gefallen sei.

Bei Klopps Ankunft war Liverpool Tabellenzehnter. Seitdem hat er den Verein nach oben geführt, nach und nach. Achter Platz, zweimal nacheinander der vierte Platz und vor allem der Einzug ins Finale der Champions League in der vergangenen Saison. Die Stimmung hat sich gewandelt, der Klub platzt mittlerweile fast vor Zuversicht.

Doch immer, wenn Klopp in Liverpool die Chance auf einen Titel hatte, ist er gescheitert. In seiner ersten Saison verlor er das Finale um den Ligapokal und die Europa League, zuletzt gab es das 1:3 gegen Real Madrid in Kiew, das vor allem für Torwart Loris Karius traumatisch war. Am Morgen nach dem Spiel tauchte im Internet ein Video auf, das Klopp mit seinem Assistenten Peter Krawietz, Campino von den Toten Hosen und Johannes B. Kerner zeigte. Zu sehen – und zu hören – war, wie die Truppe die Niederlage gesanglich verarbeitete und eine kämpferische Prognose stellte: „We swear we keep on being cool, we’ll bring it back to Liverpool“, lautete eine Textzeile. „It“, damit war der Champions-League-Pokal gemeint.

Einfach cool bleiben, das klingt natürlich gut, doch damit gewinnt man im internationalen Fußball der Gegenwart nichts. Damit es für Liverpool endlich wieder mit einem Titel klappt, hat der Verein im Sommer Ernst gemacht auf dem Transfermarkt. Für mehr als 180 Millionen Euro kamen unter anderem der brasilianische Nationaltorwart Alisson, Naby Keïta aus Leipzig und der ehemalige Bayern-Profi Xherdan Shaqiri. Dabei hatte Klopp noch vor einiger Zeit behauptet, dass er sich am großen Geldausgeben nicht beteiligen wolle. Als Manchester United vor zwei Jahren die damalige Rekordsumme von 105 Millionen Euro für Paul Pogba zahlte, sagte er: „Der Tag, an dem das der Fußball ist, bin ich nicht mehr im Amt.“ Und natürlich kann man diese Aussage im Nachhinein heuchlerisch finden.

Auf dem Transfermarkt hat Liverpool enorm viel ausgegeben

James Pearce ist Liverpool-Reporter für die Lokalzeitung, das Liverpool Echo, kaum einer kennt den Klub so gut wie er. Seiner Meinung nach hat Klopp einfach nur einen wichtigen Grundsatz verstanden: „Es gibt hier in England ein Sprichwort: If you can’t beat them, join them“, sagt er. Übersetzt heißt das ungefähr: Wenn du deine Feinde nicht schlagen kannst, werde wie sie. Oder, auf den Fußball übertragen: Am großen Geldausgeben führt eben manchmal kein Weg vorbei.

Auch als King of the Kop wird Klopp verehrt. Kop, das ist die Tribüne hinter dem Tor

Die Torwartposition, der Wechsel vom flatterhaften Karius zu Alisson, ist für Pearce ein gutes Beispiel dafür: „Klopp dachte, er könnte einen jungen Torwart aus Deutschland für vier Millionen Pfund holen und damit Erfolg haben. Vier Millionen – das ist im heutigen Fußball nichts. Wenn du wirklich etwas erreichen willst, musst du groß denken und die besten Spieler verpflichten“, sagt er. Dann muss man seine Ideale manchmal auch verleugnen.

Das gilt übrigens nicht nur auf dem Transfermarkt. Pearce spricht davon, dass sich Klopp auch in seiner Spielweise angepasst habe in der jüngsten Vergangenheit. „Liverpool war unter ihm schon immer stark im Angriff. Aber man hatte auch immer das Gefühl, dass er zu viele Risiken eingeht und die Abwehr offen lässt. Das hat sich jetzt geändert“, sagt er. Im Ligaspiel neulich gegen Southampton zum Beispiel stand es schon zur Pause 3:0. Vor einiger Zeit hätte Liverpool vermutlich noch auf das vierte, fünfte und sechste Tor gedrängt und wäre dabei Gefahr gelaufen, noch das 3:1, das 3:2 und das 3:3 zu kassieren.

Doch Klopp entschied sich gegen das Risiko, er ging auf Nummer sicher und brachte zur zweiten Halbzeit den Abräumer James Milner für Angreifer Shaqiri, es blieb beim 3:0. Liverpool kann mittlerweile auch Spiele kontrollieren, ganz seriös. Ist die Mannschaft also auf dem Weg zur Meisterschaft?

Erste Niederlagen

Nun ja. Gerade leistet sich Liverpool den ersten Durchhänger der Saison. Dem Ligapokal-Aus und dem Remis gegen Chelsea folgte unter der Woche ein 0:1 in der Champions League in Neapel. Es war eines der schwächsten Spiele unter Klopp. Seine Mannschaft hatte nicht einen Schuss aufs Tor. „Die Medien haben uns bislang nur gelobt in dieser Saison. Heute haben wir nicht gut gespielt, so ist das im Fußball“, sagte der Trainer hinterher. Er hat keine Lust, die ersten Rückschläge der Spielzeit zum Drama aufzupumpen. Doch es knarzt und knirscht eben noch bei Liverpool an der einen oder anderen Ecke.

Außerdem wird die Titelmission schon grundsätzlich dadurch erschwert, dass es extrem kompliziert werden dürfte, an der Übermannschaft Manchester City vorbeizuziehen, selbst wenn alles ideal laufen würde. Das wissen auch die Fans. Sie befinden sich in einem seltsamen Zwiespalt. Sie erwarten die Meisterschaft nicht, sie hoffen nur einfach sehr darauf. „Wenn wir in dieser Saison nicht Meister werden, würde niemand Klopps Kopf fordern. Niemand könnte den Job besser machen als er, unabhängig von Titeln“, sagen George und Simon, die beiden von der Tankstelle. Doch ausreden können sie sich ihre Wünsche auch nicht: „Wir könnten noch so sehr so tun, als wäre uns die Meisterschaft egal. Aber tief im Inneren wollen wir sie einfach zu sehr.“

Und Klopp weiß ja auch selbst, was die Ansprüche in Liverpool sind. „This is a place for big football moments“, so steht es an der Wand im Kabinengang im Stadion an der Anfield Road. Es sind seine eigenen Worte. Er kommt vor jedem Spiel an ihnen vorbei.

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