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Archiv-Artikel

„Exxon Valdez“: Ölpest und kein Ende

Vor 15 Jahren rammte der Supertanker „Exxon Valdez“ vor der Küste Alaskas ein Riff – 40.000 Tonnen Rohöl liefen ins Meer. Heute vergiftet das Öl immer noch die Küste. Und Exxon wehrt sich weiterhin erfolgreich gegen eine Milliardenstrafe

Anders als Shell oder BP weigert sich Esso,in umweltverträgliche Energien zu investieren

VON BERNHARD PÖTTER

Es war eigentlich eine vergleichsweise kleine Ölpest. Als am Morgen des 24. März 1989 der Supertanker „Exxon Valdez“ gleich hinter der Hafenausfahrt von Cordoba das Bligh-Riff rammte, flossen 40.000 Tonnen Rohöl in den Prince William Sund an der Südküste Alaskas. Eine Katastrophe der Mittelklasse – schließlich leiteten die Iraker im Golfkrieg 1991 fast zehnmal so viel Öl in den Persischen Golf wie in Alaska austraten.

Trotzdem gilt die „Exxon Valdez“ als das „Tschernobyl der Ölindustrie“. Denn das Öl aus dem havarierten Tanker vergiftete auf 5.000 Kilometern Küste einen der wichtigsten Lebensräume an der amerikanischen Westküste. Es zerstörte für viele Jahre die Kinderstube von Walen, Ottern, Seevögeln, Heringen und Lachsen, hunderte von Ottern, Robben und Adlern starben ebenso wie tausende von Seevögeln. 10.000 Helfer, die im Auftrag des Ölkonzerns „Exxon Mobil“ die Strände säuberten, richteten weiteren Schaden an: Mit schwerem Gerät verwüsteten sie die unberührten Strände, mit ihren heißen Hochdruckreinigern kochten sie die Bakterien im Boden, die das Öl in der Natur abbauten. Gerade mal 15 Prozent des Öls wurden eingesammelt.

Und anders als bei anderen Unglücken ist das Öl vor Alaska immer noch präsent. Das kalte Meer hat offenbar verhindert, dass sich der zähe schwarze Schlick wie bei anderen Katastrophen auflöst. Selbst im Frühjahr 2004 fanden Experten immer noch sichtbares Öl an den Stränden. „Es reicht, einen Stein anzuheben“, sagt Greenpeace Ölexperte Karsten Smid. „Darunter finden wir die schmierigen und hochgiftigen Ölrückstände der ‚Exxon Valdez‘.“

Auch nach 15 Jahren listet der „Exxon Valdez Trustee Council“, ein Treuhandausschuss, der die Folgen der Ölpest dokumentiert und die Verteilung der Gelder überwacht, noch sechs Tierarten als „nicht erholt“, unter ihnen Seevögel wie drei Spezies von Kormoranen oder die Harlekin-Ente, die Hafenrobbe oder auch den Hering – eine der Futtergrundlagen für das gesamte Ökosystem. Andere Arten wie Orca-Wale, Muscheln und Seeotter berappeln sich so langsam wieder. Die Lachsbestände, Seeadler und Süßwasser-Otter gelten als stabil.

Schwer verölt ist dagegen immer noch das Image des Ölkonzerns Exxon (in Deutschland: Esso). Das Unternehmen aus Texas, der weltweit größte Ölkonzern, machte nach der Havarie einen Fehler nach dem anderen. Die Firma wusste, dass der Kapitän des Unglücksschiffes ein massives Alkoholproblem hatte, und schickte ihn trotzdem auf die Reise. Das Schiff besaß nur eine einfache Bordwand, die leicht beschädigt werden konnte. In den ersten drei Tagen nach dem Unglück versagten alle Sicherheitsvorkehrungen.

Exxon behauptete schon zwei Jahre nach der Katastrophe, das Öl sei von den Stränden verschwunden. Und der Konzern zahlte zwar 2,1 Milliarden Dollar für die Aufräumarbeiten und 1,2 Milliarden Schadensersatz an den Staat Alaska. Doch wehrt sich Exxon (Jahresgewinn 2003: 21,5 Milliarden Dollar) seit Jahren gegen ein Urteil, nach dem der Konzern noch einmal insgesamt 6,7 Milliarden Dollar als Strafe an die rund 32.000 Fischer, Landbesitzer, Geschäftsleute und Gemeinden zahlen muss.

Im August 2003 hatte Exxon dann einen Vergleich in Höhe von 25 Millionen Dollar angeboten. Die Kläger ließen sich darauf aber nicht ein. Und so verurteilte das Bundesdistriktgericht in Alaska Exxon erst im Januar diesen Jahres noch einmal – es war das dritte Mal. Die Anwälte des Konzerns kündigten an, erneut das Revisionsgericht in San Francisco anzurufen. Das hatte bereits die Male zuvor die Entscheidungen des Bezirksrichters zurückgewiesen.

Auch deswegen hat Greenpeace Exxon zur Zielscheibe einer weltweiten Kampagne gemacht. Unter www.stoppesso.de listen die Umweltschützer fünf Gründe auf, „warum Esso schlimmer ist als andere Erdölgesellschaften“ – unter anderem, weil der Konzern massiv gegen das Kioto-Protokoll zum Klimaschutz mobil macht. Demnach weigert sich Esso zudem, in umweltverträgliche Energien zu investieren, während Shell und BP in den kommenden drei Jahren jeweils 500 Millionen US-Dollar in Grüne-Energie-Projekte stecken wollen.

Für die Verseuchung der Meere ist hingegen die gesamte Ölindustrie verantwortlich: Nach Informationen der Nasa stammen nur 5 Prozent des Öls im Meer aus Havarien – der Rest tritt beim „regulären“ Betrieb aus.