Exportland Tschechien im Abschwung: Ein Hoch auf die Abwrackprämie
Die Wirtschaftskrise trifft Tschechien spät, aber nun drohen die Exporte stark abzunehmen. Die Abhängigkeit vom deutschen Markt ist dabei Vor- und Nachteil.
PRAG taz Krise, welche Krise? Zwei Drittel der Tschechen, so ergab jüngst eine Umfrage der Tageszeitung Mladá fronta Dnes, spüren die globale Wirtschaftskrise nicht. Doch nicht aus Prognosen rührt der tschechische Optimismus, sondern aus der Vergangenheit. Noch im vergangenen Jahr war Tschechien eine Insel der Glückseligen inmitten des Bankenkrachs. "Die Krise wird an uns vorbeigehen", sagte im November 2008 Ministerpräsident und EU-Ratspräsident Mirek Topolanek. Zum Jahreswechsel sagte die Regierung der tschechischen Wirtschaft noch ein Wachstum von 4,8 Prozent voraus. Glaubt man den Prognosen, wird das böse Erwachen spätestens Mitte kommenden Jahres folgen. Ganz optimistische Analytiker glauben, dass das tschechische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2009 gar nicht wachsen wird. Realisten rechnen damit, dass es um 2 Prozent sinkt. Seit Jahresbeginn dümpelt die tschechische Wirtschaft weiter vor sich hin, die Arbeitslosenquote könnte auf bis zu 10 Prozent ansteigen. Pessimisten erwarten ein Haushaltsdefizit von mindestens 90 Milliarden Kronen (3,2 Milliarden Euro).
Was der tschechischen Wirtschaft - und auch der Politik - die größten Sorgen bereitet, sind der krisenbedingte Verlust ihrer Absatzmärkte sowie eine globale Tendenz zum Protektionismus. Beides ist eine Katastrophe für die kleine, ultraliberale Exportwirtschaft des Landes. Denn über 80 Prozent des tschechischen Bruttoinlandsprodukts stammen aus dem Export. Drei Viertel davon gehen auf den EU-Binnenmarkt, ein Drittel nach Deutschland. Das bedeutet, dass ein Viertel der tschechischen Wirtschaft vom deutschen Markt abhängig ist. Kein Wunder, dass die deutsche Abwrackprämie in Tschechien mit Erleichterung aufgenommen wurde. Denn keine andere Branche ist so wichtig für die dortige Wirtschaft wie die Automobilindustrie mit ihren tausenden von kleinen Zulieferbetrieben.
Der Autobau macht 23 Prozent der gesamtem tschechischen Industrieproduktion aus und ist verantwortlich für 4 Prozent des BIP und 8 Prozent der Gesamtexporte. Mit Einführung der Abwrackprämie, die deutsche Skoda-Händler mit einem Bye-Bye-Bonus noch um 1.785 Euro erhöhen, scheint das Schlimmste für die tschechische VW-Tochter abgewendet zu sein. Deshalb beendete Skoda auch die Kurzarbeit wieder; zumindest in einigen Hallen der Skoda-Werke im mittelböhmischen Mladá Boleslav laufen die Bänder wieder fünf Tage pro Woche.
Auch die Regierung hat gehandelt. Anfang Februar hat sie ein Konjunkturpaket mithilfe eines eigens gegründeten Nationalen Wirtschaftsrats der Regierung verabschiedet. In einem Exportland wie Tschechien sind weniger Konsumanreize als Steuererleichterungen effektiv. So sieht der Antikrisenplan der Regierung vor, die Sozialabgaben für Arbeitgeber um 1,5 Prozent zu senken. Zudem soll es bessere Abschreibungsmöglichkeiten vor allem für Kleinstunternehmen geben, und die lästigen Einkommensteuervorauszahlungen werden erlassen.
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