Expertenveranstaltung übt Kritik: Online-Medien voller Barrieren
Führende Online-Nachrichtenportale schließen vor allem gehörlose Gebärdensprachler und Lernbehinderte aus. „tagesschau.de“ weist die Kritik zurück.
BERLIN epd | Keines der führenden deutschen Online-Nachrichtenportale ist einer Untersuchung zufolge barrierefrei im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Vor allem gehörlose Gebärdensprachler und Lernbehinderte hätten kaum Zugang zu unabhängigen politischen Informationen, heißt es in der Analyse, die am Dienstagabend bei einer Expertenveranstaltung des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin vorgestellt wurde.
Untersucht wurden die reichweitenstärksten Portale bild.de und Spiegel Online, außerdem das öffentlich-rechtliche Angebot tagesschau.de. Die Analyse geht zurück auf eine Studie der Journalistin und taz-Autorin Manuela Heim. Der Leiter von tagesschau.de, Andreas Hummelmeier, wies die Kritik zurück.
Der Analyse zufolge fehlen bei allen Portalen systematische Untertitel, Textalternativen, Informationen in Gebärdensprache oder leichter Sprache sowie Erläuterungen von Abkürzungen und Fachbegriffen.
Zudem wurden die hohe Anzahl von Links auf den Startseiten und bewegte oder automatisch wechselnde Inhalte bemängelt. Sprachausgabeprogramme oder Software, um Texte zu vergrößern, würden häufig blockiert, heißt es in der Analyse.
Vorwürfe nicht nachvollziehbar
Mit Blick auf die Bundestagswahl am 22. September bezeichnete der Leiter der Monitoring-Stelle der UN-Behindertenrechtskonvention, Valentin Aichele, die Ergebnisse als „empfindliche Benachteiligung“. Er forderte: „Nicht nur die offiziellen Informationen zu Parteien, Gesetzen oder politischen Programmen sollten in barrierefreier Form dargestellt werden, auch politische Informationen in Online-Medien müssen verstärkt zugänglich sein.“
Der Leiter des Portals tagesschau.de, Hummelmeier, erklärte, er könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Gerade beim jüngsten Relaunch von tagesschau.de sei auf verstärkte Barrierefreiheit geachtet worden. So könnten die Seiten nun von allen gängigen Screenreadern gelesen werden.
Auch werde seit langem die Hauptausgabe der Tagesschau in Gebärdensprache auf der Seite angeboten, die Sendung sei inzwischen auch mit Untertiteln abrufbar. Weitere Sendungen wie etwa die Tagessthemen sollten folgen.
Grundlage für die Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte waren die Anforderungen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0).
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