Experten warnen vor Cloud-Computing: Gesichter in der Wolke
Große Netzfirmen möchten, dass viele Nutzer möglichst viele Daten direkt im Netz ablegen. Googles Chrome OS und Facebooks Gesichtserkennung zeigen die Gefahren.
Der Computeraktivist Richard Stallman hat vor den Plänen großer Internet-Konzerne gewarnt, immer mehr Daten der Nutzer ins Netz zu verlagern. Mit Blick auf Googles neues Betriebssystem "Chrome OS" sagte er dem britischen Guardian, die Menschen gäben die Kontrolle über ihre Informationen auf.
Google & Co. versuchten, die Nutzer zu einer "fahrlässigen Computerei" zu erziehen, bei der Ermittlungsbehörden einfachen Zugriff auf private Daten bekämen. Und weiter: "In den USA gibt man das Recht auf seine Informationen auf, wenn man sie auf den Maschinen einer Firma statt auf dem eigenen Computer speichert." Die Polizei müsse beim Zugriff auf den heimischen PC einen Durchsuchungsbeschluss vorweisen. "Im Netz braucht sie Ihnen gar nichts zu zeigen."
Stallman gilt als einer der Väter des Open-Source-Betriebssystems GNU/Linux und setzt sich weltweit für die Durchsetzung freier Software ein, bei der Nutzer in die Quellcodes schauen können, um zu lernen, wie Programme funktionieren. Es sei zwar positiv, dass Chrome OS auf Basis von GNU/Linux laufe. Doch die Nutzung reiner Internetdienste sei "schlimmer als Dummheit." Die Risiken seien einfach zu groß, wenn Daten fast nur noch im Netz lagerten.
Wie Chrome OS aussehen soll, zeigt Google derzeit anhand eines Prototyp-Laptops namens "Cr-48", der in den vergangenen Tagen an ausgewählte Experten und Firmen ging. Die größte Veränderung findet im Inneren der von der Hardware her langweiligen Maschine statt: Das installierte Chrome OS unterscheidet sich radikal von allem, was man als PC-Benutzer bislang kannte.
Statt Software auf der Festplatte zu installieren, wird sie direkt aus dem Netz bezogen. Nur Minimalanteile werden auf einem kleinen internen Speicher abgelegt, der jederzeit mit Internetdaten überschrieben werden kann, sollten Informationen verloren gehen. Jedes Dokument, jede E-Mail und jedes Video, jedes Foto und jedes Musikstück werden in der "Cloud" gespeichert, jener Server-Wolke aus riesigen Rechenzentren, die Google, Amazon und andere Netzriesen mittlerweile betreiben.
Auch im sozialen Netzwerk Facebook lagert nichts mehr auf der lokalen Festplatte. Stattdessen laden Nutzer inzwischen ganze Bildersammlungen hoch, um sie mit ihren Freunden auf der Plattform zu teilen. Was der Web 2.0-Konzern mit diesen Daten machen kann, sorgt regelmäßig für Kritik von Datenschützern - etwa das Schalten gezielter Werbung, die sogar auf die sexuelle Präferenz zielt.
Die neueste technische Entwicklung von Facebook ist ein Gesichtserkennungsverfahren, "Tag Suggestions" genannt: Dabei ermitteln die Algorithmen des Netzwerks aus bereits hochgeladenen Bildern, wie eine Person heißen könnte. Der Nutzer muss das dann nur noch auf "Bestätigen" drücken, damit der Rest der Bildersammlung "getaggt" wird. Das Cloud Computing birgt aber nicht nur für Kunden Datenschutzrisiken - auch Firmen, die Informationen im Netz anbieten, sollten sich überlegen, ob sie nicht lieber eigene Server installieren.
Das jüngste Beispiel kommt aus den USA. Der E-Commerce-Anbieter Amazon betreibt neben seinem Hauptgeschäft auch einen Cloud-Dienst, bei dem Firmen ihre Daten unterbringen können - kostengünstig im "Pay as you go"-Verfahren. Der Plattformbetreiber kann jederzeit entscheiden, welche Informationen er auf seinen Maschinen speichern will und welche nicht. Das bekam auch Wikileaks zu spüren. Als ein US-Sensator Druck auf das Unternehmen auszuüben begann, verbannte Amazon die Seite mit der fadenscheinigen Begründung, sie verstoße gegen die Nutzungsbedingungen.
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