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ExiljournalistInnen in der Türkei„Immerhin Internet“

JournalistInnen aus Ländern wie Afghanistan, Syrien und Iran haben in Istanbul einen Arbeitsort gefunden. Bei einem Treffen erzählen sie von Chancen und Risiken.

Istanbul als Fluchtpunkt Foto: Murat Tueremis

Sie hätten ja, sagte die afghanisch-amerikanische Journalistin Fabria Nawa, die Veranstaltung lieber anders genannt als „Journalismus im Exil“. Weil ja unter dieser Überschrift weltweit in diesen Tagen Veranstaltungen stattfinden würden. Aber es sei nun einmal so: Wohl noch nie in jüngerer Zeit seien so viele JournalistInnen ins Exil gezwungen worden wie eben jetzt; und mit Donald Trump als kommendem US-Präsidenten werde es sicher nicht besser.

Als ein wichtiger Anlaufort für JournalistInnen auf der Flucht habe sich Istanbul herausgebildet. Das sei zwar etwas kurios, weil auch viele türkische JournalistInnen ins Ausland geflohen seien, trotzdem sei Istanbul für viele JournalistInnen aus dem Nahen Osten, dem Iran und Afghanistan zumindest zu einer wichtigen ersten Adresse geworden.

Bei einem Treffen in einem privat betriebenen Kulturzentrum in Beyoğlu, im Herzen der Metropole am Bosporus, fanden sich am letzten Wochenende dann einige dieser JournalistInnen im Exil bereit, über ihre Arbeit und ihre persönliche Situation in der Türkei zu erzählen.

Noor Ahmad Yurttash zum Beispiel, ein schmächtiger Mann aus Afghanistan, der sich seit zwei Jahren in Istanbul durchschlägt und als Journalist lediglich undercover arbeiten kann. Er erzählt, dass im Moment in der Türkei ein Netzwerk von gut 70 afghanischen Journalisten existiert, die sich untereinander verständigen und versuchen, über soziale Medien, WhatsApp und Telegram, Nachrichten nach Afghanistan zu transportieren.

Konsularische Beziehungen zu den Taliban

Flüchtlinge aus Afghanistan sind wohl diejenige Gruppe, die in der Türkei am stärksten unter Druck steht. Nach Syrern, Irakern und Iranern sind sie nach der Machtübernahme der Taliban die letzte große Flüchtlingsgruppe, die in die Türkei kam, zu einem Zeitpunkt, als die Mehrheit der TürkInnen längst der Meinung war, es gebe schon viel zu viele Flüchtlinge in ihrem Land.

Noor hat nur deshalb eine Aufenthaltsgenehmigung, weil er ethnischer Usbeke ist und diese Minderheit aus Afghanistan mit der Türkei stärker verbunden ist als die anderen Volksgruppen. „Ständig werden Afghanen deportiert“, sagt er. Die Türkei hat konsularische Beziehungen zu den Taliban, viele Flüchtlinge haben deshalb keine Chance.

Gegenüber Noor sind die anderen Teilnehmer des Panels geradezu privilegiert. Der syrische Journalist Kerem Nachar kam 2014 nach Istanbul, zu einer Zeit, als die türkische Regierung unter Tayyip Erdoğan die syrische Opposition noch stark unterstützte. Mit anderen Journalisten hatte er zuvor in Syrien die unabhängige Plattform Al Jumhurya gegründet, die sie dann von Istanbul aus fortführten.

Im Jahr 2018, als im Nachgang zum Putschversuch gegen Erdoğan in der Türkei massenhaft Medien verboten wurden, gelang es ihnen, ihr Büro nach Berlin zu verlegen. Doch immer noch sind etliche Mitarbeiter in der Türkei, „der Kontakt nach Syrien ist von hier aus einfacher“, sagt Kerem. Persönlich fühlt er sich in Istanbul nicht bedroht, er hat sogar einen türkischen Pass. „Doch was passiert, wenn Erdoğan sich mit Assad ausgesöhnt hat“, fragt Kerem. „Der Zeitpunkt wird kommen und dann wird es hier eng für uns“.

Opposition unterwandert

Iranische Oppositionelle in der Türkei sind mit dieser Situation längst konfrontiert. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern sind gut. Es gibt viele Unterstützer des iranischen Regimes in Istanbul, sagt Narges Keshavarzina, eine IT-Spezialistin, die für die Internetsicherheit oppositioneller JournalistInnen arbeitet. „Unser größtes Problem ist, dass die iranische Opposition hier völlig unterwandert ist. Man kann sich nur in einem ganz kleinen Kreis vertrauen“.

Dennoch sagt sie, „hier habe ich freien Zugang zum Internet, und das ist schon mal sehr viel mehr, als ich im Iran je hatte“. Viele JournalistInnen wollen trotzdem weiter nach Europa, in die USA oder Kanada. Doch die Chancen sind gering. Deshalb ist für viele verfolgte JournalistInnen Istanbul, trotz aller Probleme, zur neuen Heimat geworden.

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