piwik no script img

Das PortraitExilantin, Vermittlerin

■ Ruth Liepman

Mehr als vier Jahrzehnte arbeitete Ruth Liepman als Agentin. Als Literaturagentin, als Mittlerin zwischen ungleichen Partnern: „Autor und Verleger sind heute keineswegs ebenbürtige Parteien. Der Verleger setzt bis auf den heutigen Tag am längeren Hebel. Er, und nur er, hat die Mittel zum Drucken und damit auch die Mittel zum Druck-Ausüben ... Der Agent versteht sich als verlängerter Arm des Autors. ... Er weiß, was er vom Verleger verlangen kann und was dem Buch angemessen ist.“

Ihre in diesem Sinne erfolgreiche Tätigkeit als Literaturagentin war legal. Illegal mußte der Widerstand sein, den sie nach 1933 gegen die Nationalsozialisten leistete. 1909 als Tochter jüdischer Eltern geboren, wuchs Ruth Lilienstein in Hamburg auf. Hier studierte sie Jura, promovierte noch 1934. Politisch engagierte sie sich in der KPD.

Den durch Denunziation ausgelösten polizeilichen Ermittlungen und der steckbrieflichen Fahndung wegen angeblicher „Vorbereitung zum Hochverrat“ entkam sie durch Flucht nach Holland. Solidarität und Courage waren für Ruth Lilienstein keine inhaltslosen Worthülsen. Ihren juristischen Kenntnissen, ihrer Tatkraft und ihrem Mut verdanken viele Juden die Rettung vor nationalsozialistischer Verfolgung. Doch 1943 war auch sie gezwungen unterzutauchen. Dank der Hilfsbereitschaft einer calvinistischen Arbeiterfamilie erlebte sie die Befreiung 1945.

Die 1950 von ihr und ihrem aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrten Mann, dem Schriftsteller und Journalisten Heinz Liepman, in Hamburg gegründete Literaturagentur gehört heute zu den renommiertesten ihrer Branche. Mailers „Die Nackten und die Toten“, Salingers „Der Fänger im Roggen“, Anderschs „Die Kirschen der Freiheit“ und viele, andere Werke berühmter Autoren wurden von Ruth Liepman vermittelt. Die heute in Zürich beheimatete Agentur betreut die Werke von Norbert Elias, Anne Frank und Erich Fromm, vermittelt u. a. Bücher von Ida Fink und Alexander Tisma.

Ihre 1993 veröffentlichten, mittlerweile auch ins Englische übersetzten Lebenserinnerungen tragen den Titel „Vielleicht ist Glück nicht nur Zufall“. Der Kanton Zürich verlieh ihr eine Ehrenmedaille, die „Gesellschaft für Exilforschung“ machte sie 1998 zu ihrem Ehrenmitglied. Morgen feiert die Grenzen ignorierende, liebenswürdige Literaturvermittlerin Ruth Liepman ihren 90. Geburtstag. Wilfried Weinke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen