Ex-Notenbankchef vor US-Kongress: Der einst unfehlbare Herr Greenspan

Der Ex-Notenbank-Chef ist vor den US-Kongress geladen, um zur Finanzkrise auszusagen. Der Empfang dürfte frostig ausfallen. Viele halten ihn für mitschuldig an der Immobilienblase.

Entthronter Maestro: Alan Greenspan. Bild: dpa

Als Alan Greenspan, der damalige Vorsitzende der US-Notenbank Fed, 2006 in den Ruhestand ging, wurde er als "Maestro" bejubelt. Schließlich war seine 19-jährige Amtszeit von stetigem Wirtschaftswachstum und niedriger Inflation gekennzeichnet. Immer wenn er dem Kongress über die Konjunktur berichtete, begrüßten die Senatoren und Abgeordneten ihn wie einen Staatschef und stellten seine Einschätzungen fast nie infrage. Das dürfte anders sein, wenn Greenspan am heutigen Donnerstag wieder vor dem Haus erscheinen muss - zu einer Anhörung zur Finanzkrise.

Als die Kurse an den Finanzmärkten der USA und anderer Länder abstürzten, fiel auch Greenspans Stern. So schrieb die New York Times kürzlich: "Viele Wirtschaftswissenschaftler sagen, dass die aktuelle Krise verhindert oder gemildert worden wäre, wenn sich Greenspan während seiner Amtszeit als Fed-Chef anders verhalten hätte." Greenspan selbst bestreitet aber, dass seine Politik hinter der US-Immobilienblase und deren Platzen steht. Diese Position muss er bei der Anhörung verteidigen.

Seine Aussage findet nur zwei Wochen vor der Präsidentenwahl statt, und die Parlamentarier wollen unbedingt jene finden, die für die Krise verantwortlich sind, die der Staat mit einem 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket zu bewältigen versucht.

Der ehemalige Zentralbanker steht seit seinem Ausscheiden zunehmend unter Beschuss. Ihm werden nun manche seiner früheren Äußerungen vorgehalten, deren komplexe und undurchdringliche Sprache seinen Ruf als ebenso kühler wie mächtiger Technokrat mitbegründet hatte. 2005 etwa hatte der damalige Fed-Boss erklärt, dass "die Ausweitung vieler Nichtbankenfinanzdienstleister" wie Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften Zeichen für die positiven Folgen der Deregulierung in der Finanzbranche seien. Heute sehen viele Ökonomen dieses parallele Finanzsystem, das auf der Anhäufung enormer Schulden und Risiken beruht, als einen der Gründe für die Zuspitzung der aktuellen Krise.

Und obwohl die wirtschaftlichen Argumente für die Steuersenkungen Präsident George W. Bushs 2001 an Überzeugungskraft verloren, unterstützte Greenspan die Pläne, genauso wie Bushs gescheiterten Vorschlag, das US-Rentenversicherungssystem zu privatisieren.

Aber Greenspan hat immer noch Anhänger. "Zu seiner Verteidigung: Er war nicht für Fannie Mae, Freddie Mac oder die Ratingagenturen zuständig", sagt Finanzprofessor James Angel von der Georgetown University.

Es gibt sowieso genug Schuld für alle. Wenn Greenspan im Kongress aussagt, wird er die Bühne mit Christopher Cox teilen, dem Chef der US-Börsenaufsicht (SEC). Die Behörde wurde heftig kritisiert, weil sie wachsende Probleme bei den Investmentbanken ignoriert hatte.

Greenspan und seine Fed waren aber Erster unter Gleichen im Reigen der vielen Behörden. Als ein obskurer Finanzregulierer in den späten 1990er-Jahren vorschlug, Kreditderivate strenger zu kontrollieren, orchestrierte Greenspan eine Kampagne dagegen. Sein Widerstand sicherte das Scheitern des Vorschlags. Auch wenn er offiziell nicht zuständig war - sein Ruf und sein politisches Talent hätten es ihm ermöglicht, die gröbsten Ausschweifungen zu stoppen.

Im für den 82-jährigen Greenspan schlimmsten Fall wird die Anhörung eine milde Demütigung für ihn an einem Ort, an dem er vorher vergöttert wurde. Verglichen mit den Verlusten, unter denen weltweit Millionen Menschen leiden, wäre das eine geringe Strafe - aber eine, die die letzten Reste seiner Aura eines Allmächtigen zerstört.

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