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Ex-Nahostunterhändler Miller"Die USA müssen intensiv drängeln"

Der amerikanische Ex-Nahostunterhändler Miller spricht im taz.de-Interview über die Rolle der USA im israelisch-palästinensischen Friedensprozess.

"Das wird ein sehr langes Experiment": Palästinensische Polizistin in Ramallah Bild: dpa
Interview von Adrienne Woltersdorf

Taz.de: Wenn in Paris die Geberländer für die Palästinenser tagen, wird dabei über die internationale Hilfe auch der Grundriss eines palästinensischen Staates gelegt?

Miller: Es gibt meiner Ansicht nach kein historisches Vorbild dafür, wie sich ein Volk aus einer Besatzung herausverhandeln und sich Institutionen der Selbstverwaltung zulegen sollte. Wir, die internationale Gemeinschaft, sollten aber nicht denken, dass wir das Wesen und die Struktur der palästinensischen Gesellschaft und Selbstverwaltung bestimmen können. Das wäre grundfalsch.

Taz.de: Es sind doch vor allem die USA, die mit Hamas und bestimmten Teilen der palästinensischen Gesellschaft nicht verhandeln wollen, weil sie als Islamisten gelten. Das Ziel lautet klar, ein zukünftiges Palästina muss demokratisch im westlichen Sinne sein.

Miller: Wir können nur hoffen, dass palästinensische Führer, Abbas und Fayad, klug genug sind, um zu verstehen, dass ihr Experiment keine Nachahmung der europäischen oder US-amerikanischen Demokratie sein muss. Was sie erreichen müssen, ist Transparenz, Verantwortung und gute Regierungsführung. Um das zu erreichen brauchen sie Ressourcen und die institutionellen Rahmenbedingungen. Das wird aber ein sehr langes Experiment. Seit 1950 haben es schließlich nur 22 Staaten es geschafft, demokratisch zu werden und es auch zu bleiben. Und wenn sie mich fragen, was eine Demokratie am eindeutigsten charakterisiert, dann ist es ihre Dauer. Demokratie zu schaffen ist nicht so schwer, sie sie zu leben schon.

Taz.de: Nochmal gefragt: Unter den Palästinensern gibt es noch dieses kleine Problem, das heißt Hamas. Was soll denn damit geschehen?

Miller: Wenn die internationale Gemeinschaft das nicht in den Griff bekommt, wird es keinen Rahmenvertrag geben. Ganz einfach.

Taz.de: Das heißt, es wird weiter geschossen und getötet und alle reden sich ein, es wäre so etwas wie ein Friedensprozess im Gange?

Miller: Schauen Sie mal, das ist ein extrem schmerzvoller Prozess, die Gräben sind tief, die Führer sind schwach, die Zeit ist knapp. Und die Bush-Administration hat noch nicht gesagt, welche Rolle sie dabei zu spielen gedenkt. Meiner Ansicht nach war es ein guter Anfang, in Annapolis eine Absichtserklärung aller Beteiligten zu bekommen, im Jahr 2008 eine Art Agreement zu finden.

Taz.de: OK, Sie setzten also auf Diplomatie. Weche Strategie schlagen Sie dafür vor?

Miller: Wir müssen uns vor allem zwei Fragen stellen: Erstens, können Israelis und Palästinenser eine Art Rahmenvertrag aushandeln, ohne dass die USA dabei hilft? Ich spreche nicht von einem Friedensvertrag, der ist unrealistisch. Sondern von einem groben, schriftlich fixierten Rahmenabkommen, das die vier Hauptprobleme anspricht, die da sind Jerusalem, Grenzen, Sicherheit und Flüchtlinge. Und zweitens, wird das Leben für die Israelis und Palästinenser dadurch besser? Und zwar so, dass alle begreifen, dass der Annapolis-Prozess etwas verändert hat. Wenn sich dieses Gefühl nicht herstellen läßt, wird es nie ein Abkommen geben. Die USA müssen dabei sehr intensiv vermitteln, drängeln, schieben, drücken, bestärken, um sicher gehen zu können, dass beide Seiten ihre Verpflichtungen auch einhalten.

Taz.de: Sehen sie Anzeichen dafür, dass US-Präsident George W. Bush oder Außenministerin Condoleezza Rice vorhaben, sich da intensiv reinzuhängen?

Miller: Die sehe ich gegenwärtig nicht, aber ich bleibe überzeugt von Annapolis. Da ging es in erster Linie um ein Versprechen, um die Bereitschaft. Der Löwenanteil der Bringschuld liegt doch nicht bei den USA, sondern bei den Israelis und den Arabern, insbesondere den Palästinensern, die sich Montag in Paris treffen. Die USA können keine Lösungen anbieten, allerdings glaube ich auch nicht, dass dieser Prozess ohne Amerika weitergehen würde.

Taz.de: Wie passt das denn zusammen mit der Tatsache, dass die USA ihre Glaubwürdigkeit in der Region zu einem großen Teil verspielt haben, dass sie als schwach und insbesondere im Hinblick auf den Irak als völlig uneffektiv angesehen werden?

Miller: Sie haben Recht, es wird lange dauern, bis die USA in der Region wieder das Ansehen erreichen kann, dass sie dort einmal hatte. Aber ein israelisch-arabischer Friedensprozess kann ihr dabei helfen. Die Erfolgsaussichten dafür schätze ich nicht höher ein als fifty-fifty - oder etwas schlechter.

Taz.de: Für viele arabische Vertreter war der Hauptgrund, um nach Annapolis zu kommen, die gemeinsame Angst vor dem Iran. Droht die kürzlich bekannt gewordene Erkenntnis der US-Geheimdienste, dass der Iran gar kein Atomwaffenprogramm mehr hat, nun diese Anti-Iran-Koalition in Luft aufzulösen?

Miller: Iran steht nicht wirklich in einem direkten Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Der Iran wird zwar weiterhin Hamas und Hisbollah unterstützen und ein Gegner der USA im Nahen Osten sein....

Taz.de: ... und Israel wird sich daher weiterhin massiv von Teheran bedroht fühlen. Wie kann es da Entspannungspolitik betreiben? Und was kann die USA gegen die Anreicherungspläne des Irans machen?

Miller: Nichts, außer dass sie versucht, die internationale Gemeinschaft von der Gefahr, die vom Iran ausgeht, zu überzeugen. Der Iran ist doch nicht verrückt oder völlig irrational, sondern hat seine eigenen Interessen. Aus Sicht Teherans besetzte das US-Militär kurz hintereinander zwei seiner Nachbarstaaten. Es wurde vom US-Präsidenten auf die Achse des Bösen befördert und musste hören, dass Bushs Ziel ein Regimewechsel in Teheran ist. Ich bin davon überzeugt, dass es Irans vordinglichstes Ziel ist, Amerika zweimal nachdenken zu lassen, bevor es US-Truppen in die Region schickt. Teheran will seine Interessensphäre und die mit ihm verbündeten islamistischen Regime schützen.

Taz.de: Europa geht in der Region zumeist anders vor, als die USA und setzt viel mehr auf Verhandlungen und Sanktionen als auf militärische Lösungen. Kann Europa im Fall der Palästinenser also besonders hilfreich sein?

Miller: Die Europäer dürfen eines nicht vergessen. Was immer sie mit den Palästinensern auch unternehmen, das wird in den Augen Israels entweder als für oder gegen sie interpretiert werden. Wenn die Europäer also wirklich eine Rolle spielten wollen, sei es bei der technischen Hilfe, Mediation oder Geberhilfen, müssen sie dabei gleichzeitig sehr gute Beziehungen zu Israel unterhalten. Sonst schaffen sie mehr Probleme als Hilfen.

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