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Ex-Gouverneur über Fukushima"Die Atomenergie wird ausgeklammert"

Ein Jahr nach dem GAU besteht das Machtgeflecht aus Politik und Atomwirtschaft weiter, sagt der ehemalige Fukushima-Gouverneur Sato. Die Medien im Land schweigen.

Sieht gravierende Unterschiede im öffentlichen Umgang mit der Atomkraft zwischen Europa und Japan: Eisaku Sato. Bild: dpa
Ruth Reichstein
Interview von Ruth Reichstein

taz: Herr Sato, in Europa gelten Sie als einer der Fukushima-Spezialisten und -Kritiker. Wie ist das in Ihrem eigenen Land?

Eisaku Sato: Nach der Katastrophe von Fukushima haben mich unglaublich viele ausländische Medien interviewt. Aber in Japan hat mich keiner gefragt. Die Medien haben viel zu große Angst, dass ihnen die Finanzierung zusammenbricht, zum Beispiel Anzeigen zurückgezogen werden, falls sie etwas gegen den Stromkonzern Tepco sagen.

Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement Ihrer Regierung nach der Katastrophe?

Als der Tsunami über unser Land fegte, habe ich noch immer an die Demokratie und die gute Organisation in unserem Land geglaubt. Aber es ist so viel schiefgelaufen. Zum Beispiel wurden Menschen aus einem radioaktiv verstrahlten Dorf in eine Gegend evakuiert, die sogar noch stärker belastet war. Die zuständigen Politiker sind sich nicht im Klaren, was da eigentlich passiert, oder sie ignorieren es.

Sie haben immer wieder vor Sicherheitsmängeln in den Kraftwerken gewarnt. Warum hat niemand auf Sie gehört?

EISAKU SATO

72, war 18 Jahre lang Gouverneur der Präfektur Fukushima. Er äußerte sich wiederholt atomkraftkritisch; 2006 musste er nach Korruptionsvorwürfen zurücktreten.

Ich dachte immer, Japan sei ein demokratisches Land. Aber das stimmt nicht. Alle, die anders denken, werden von der Gesellschaft systematisch ausgeschlossen. Die Regierung hat Angst, dass ihre Macht geschwächt wird, wenn die Atomenergie angetastet wird. Die Atomkraft gehört für sie untrennbar zu Japan. Kürzlich hat mir ein Freund in Paris erzählt, dass Leute von Greenpeace an einem Atomkraftwerk hochgeklettert sind, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Das geht nur in Europa. In Japan sind die Kraftwerke kaum sichtbar, sie werden versteckt. Und die Kommunikation wird streng kontrolliert.

Das klingt ein wenig nach Verschwörungstheorie. Können Sie Beispiele geben?

Als ich Gouverneur war, habe ich ein Umweltgesetz für die Präfektur erarbeiten lassen. In dem Entwurf meiner Mitarbeiter stand nichts von Problemen mit Radioaktivität. Als Grund nannten sie, dass Atomkraft in keinem Umweltgesetz vorkomme, auch nicht in den Präfekturen, die Kraftwerke haben. Die Atomenergie wird von der Politik ausgeklammert. Und die Mehrheit der Japaner hinterfragt das nicht.

Wie sind die Verbindungen zwischen dem Stromkonzern Tepco und der Regierung?

Es hat sich ein enges Machtgeflecht entwickelt, das sich gegenseitig am Leben hält. Als zum Beispiel 2005 junge Beamte im Wirtschaftsministerium errechnet haben, wie teuer der atomare Abfall für Japan wirklich wird, hat man sie kurzerhand rausgeschmissen. Im August 2006 hat ein Mitglieder des Regierungskomitees, das für die nukleare Sicherheit zuständig ist, davor gewarnt, dass die japanischen Kraftwerke sehr schweren Erdbeben nicht standhalten würden. Man hat ihm nicht zugehört. Er ist zurückgetreten. Ich könnte diese Liste endlos fortführen.

Seit Fukushima hat sich eine zaghafte Antiatombewegung in Ihrem Land entwickelt Zurzeit laufen in Japan nur noch 2 von einst 54 Reaktoren. Da bewegt sich doch etwas.

Nein, es sah so aus im letzten Jahr kurz nach dem Unglück. Aber es hat sich nichts verändert. Das Gremium, das über die Betriebsdauer der Atomkraftwerke entscheidet, hängt immer noch am Wirtschaftsministerium. Es ist nicht unabhängig. Und die Untersuchungen, ob und wann Kraftwerke wieder ans Netz gehen, laufen noch. Die Sicherheit spielt dabei keine Rolle.

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6 Kommentare

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  • J
    JRG

    An Gillian York:

     

    Grundlast ist ein altertümliches Konzept, das zunehmend seine Bedeutung verliert. Und wirtschaftlich ist Nuklearenergie mit Sicherheit nicht, denn sonst stünden private Investoren Schlange, um bei der angeblichen nuklearen Reneaissace nicht zu spät zu kommen.

     

    Dieser Aufsatz hilft Ihnen sicher, die Dinge besser zu verstehen: http://www.rmi.org/Knowledge-Center/Library/E08-01_NuclearIllusion

     

     

    Und wenn es damit nicht geht, sollten Sie unbedingt noch dies hier lesen und verinnerlichen:

    http://ebookbrowse.com/due-diligence-on-new-nuclear-power-economics-gppi-mar-4-2010-severance-pdf-d12783515

     

     

    Und wir täten gut, uns immer der Worte Hannes Alfvens zu erinnern, der dies zur Bedingung für die Nutzung der Nuklearenergie machte: "No acts of God can be permitted"

  • JA
    Jens Albrecht

    @ Gillian York:

     

    *rolling on the floor and laughing loudly with one beer in each hand*

     

    Aber vielleicht kennst Du sie ja wirklich nicht "Die Lüge von der sauberen Energie"?

     

    http://www.youtube.com/watch?v=wpUVJxeK7xs

  • J
    Jan

    @Jens Albrecht:

    guter Film!

     

    @gillian york:

    Alternative werden unterdrückt:

    http://www.youtube.com/watch?v=aKWPht3fU-o

  • R
    reclaim

    @gillian york:

     

    "Darüber ist man sich, bei uns in den USA einig."

     

    Wer ist denn dieser "man"? Ich jedenfalls nicht und ein Großteil der Bundesbüger ebensowenig.

     

    "Hier muss die internationale Energiebehörde einschreiten"

     

    Tja tut sie aber seit Jahrzehnten nicht. Und wenn sie es tun würde, wäre das auch mehr als verwunderlich, lauten ihre Statuten doch in Artikel 2 ganz anders:

     

    "The Agency shall seek to accelerate and enlarge the contribution of atomic energy to peace, health and prosperity throughout the world."

    http://www.iaea.org/About/statute_text.html

     

    Das ist keine Aufsicht, sondern eine Lobby.

  • GY
    gillian york

    Gibt keine umweltschonendere u. wirtschaftlichere Form der Energiegewinnung, die grundlastfähig ist. Darüber ist man sich, bei uns in den USA einig.

    Wenn die Japaner nicht willig sind, mitten im pazifischen Feuergürtel, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen, wg. zu hoher Kostenn, zu installieren ...dann ist das nicht allein Ihr Problem. Der Pazifik hat in Fukushima genug abbekommen. Hier muss die internationale Energiebehörde einschreiten. Die Notfallpläne schein ja genauso fail zu sein.

  • JA
    Jens Albrecht