Ex-DFB-Chef präsentiert seine Biografie: Onkel und Anwalt
Theo Zwanziger verteidigt in seiner Autobiografie sein Lebenswerk gegen Uli Hoeneß & Co. Was ihm an Sepp Blatter gefällt, bleibt rätselhaft.
BERLIN taz | „Ich kann das verstehen“, hat Theo Zwanziger gesagt. Oder: „Ich habe überhaupt kein Problem damit.“ Es ging um Günter Netzer, den Sportrechtevermarkter, mit TV- und Fußballervergangenheit. Der sollte am Mittwochabend in Berlin dabei sein bei der vom Verlag als „Premiere“ bezeichneten Vorstellung der Autobiografie des ehemaligen DFB-Präsidenten.
„Die Zwanziger Jahre“, so der Titel des Buchs, wurden ohne das „absolute Idol“ des Autors vorgestellt. Der Mann war allzu irritiert über die Diskussionen, die ein Vorabdruck in der Bild-Zeitung ausgelöst hat, und sagte ab. Das Theater um Äußerungen von Bayern-Präsident Uli Hoeneß, von Zwanzigers Nachfolger an der Spitze des DFB, Wolfgang Niersbach, zum expräsidialen Werk fand vor der Premiere statt. Die war so wenig spektakulär, wie es das Buch ist, von dem man nach den ersten Reaktionen beinahe glauben musste, es sei ein Skandalwerk.
Als solches sieht es vielleicht Uli Hoeneß, der beleidigt ist, weil er an ein paar Stellen des Buches ein wenig Fett abbekommt, wenn ihn der bekennende Frauenfußballversteher Zwanziger kritisiert zum Beispiel, weil der Bayern-Präsident das Spiel der Frauen einfach nicht zu schätzen weiß.
Hoeneß sagt nun, er habe schon immer gewusst, dass Zwanziger ein schlechter Präsident gewesen sei. Hoeneß, nun ja. Zwanziger winkt ab. Die beiden waren nie Freunde und werden auch keine mehr, auch wenn Zwanziger nicht müde wird zu betonen, wie wichtig Hoeneß für den deutschen Fußball ist.
Ärger mit dem Nachfolger
Als Freund bezeichnet der Expräsi immer noch seinen Nachfolger. Der hat gesagt, er könne Hoeneß nur zustimmen beim Thema Zwanziger. Auch Niersbach ist beleidigt, weil sein Vorgänger den Eindruck hat, er vernachlässige die gesellschaftlichen Aufgaben des Riesenverbandes, kümmere sich allzu sehr um das, was Niersbach selbst immer wieder als Kerngeschäft bezeichnet, den reinen Fußball, vor allem das Profigeschäft und das der Nationalmannschaft. Einem Freund müsse man doch sagen dürfen, was man sich von ihm wünsche, sagt Zwanziger dazu, der sein Lebenswerk als gefährdet ansieht.
Er war es, der den DFB zu einer sozialen Einrichtung hat werden lassen, der die Macht des Millionenverbandes zur Bekämpfung von Homophobie und Rassismus einzusetzen wusste. Wie wichtig ihm diese Anliegen immer noch sind, wurde bei der Buchpremiere schnell deutlich.
Zwanziger saß noch keine fünf Minuten auf dem Podium, da hatte er schon zweimal vor den Gefahren des Rassismus gewarnt. Er schildert glaubwürdig, wie schwer es manchmal war, einem doch arg konservativen Verband zu vermitteln, dass es wichtig sein kann, wenn sich der Präsident bei einem Christopher-Street-Day-Event sehen lässt. Die Grünen-Chefin Claudia Roth, die er zur Buchpräsentation mitgebracht hatte, konnte da nicht mithalten. Ihr Korrektheitssprech wirkt einstudiert gegen Zwanzigers ehrliches Pathos.
Der deutsche Fußball wehrt sich
Nun sieht er sein Projekt in Gefahr. Der Profibereich wehrt sich regelrecht gegen das soziale Gewissen, das Zwanziger dem deutschen Fußball implantiert hat. Dass sich Niersbach dagegen so wenig wehrt, das ließe sich am ehesten noch als Skandal bezeichnen. Zwanziger, der gute Theo, scheint das auch so zu sehen.
Vom guten Theo bleibt indes nicht viel, wenn die Sprache auf die Fifa kommt, in deren Exekutive Zwanziger immer noch sitzt. Er ist einer der wenigen im deutschen Fußballland, der Fifa-Boss Sepp Blatter tatsächlich für einen aufrechten Reformator hält. Der Mann habe zu Unrecht einen schlechten Ruf in Deutschland, sagt er auch am Mittwoch. Er glaubt an Blatter und spielt dessen Spiel mit.
Ein Kapitel in seinem Buch taugt als Verteidigungsschrift für den Fifa-Boss. Der Jurist aus Altendiez wird zum Anwalt aus Überzeugung. Ist der Mann, der von 2004 bis 2011 an der Spitze des riesigen Verbandes stand, vielleicht doch nicht so gut, wie er sich selbst gern sieht? Claudia Roth hat am Mittwoch übrigens nichts gesagt zum Thema Fifa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers