piwik no script img

Ex-Cap-Anamur-Chef Bierdel"Ich freue mich nicht"

Der Ex-Cap Anamur-Chef Elias Bierdel ist freigesprochen. Doch froh ist er nicht. Er wirft Otto Schily vor, seine Organisation diskreditiert zu haben – und auf See ändere sich auch nichts

Elias Bierdel, Vorsitzender der Hilfsorganisation Komitee Cap Anamur. Bild: reuters
Michael Braun
Interview von Michael Braun

taz: Herr Bierdel, Sie freuen sich jetzt wahrscheinlich.

Elias Bierdel: Ich verstehe, dass die Menschen, die uns die ganze Zeit unterstützt haben, sich jetzt mit uns freuen. Aber ich kann mich nicht wirklich freuen.

Warum?

Das Urteil ist ja nicht rechtskräftig. Binnen 90 Tagen wird das Gericht sein Urteil begründen, dann kann der Staatsanwalt in Berufung gehen. Das würde für uns bedeuten, dass wir die nächsten drei Jahre vor dem Gericht in Palermo - der nächsthöheren Instanz - zubringen. Jubeln können wir erst, wenn gilt: Es darf nicht in Frage stehen, dass die Rettung von Menschen in Not Vorrang hat.

Ändert sich etwas durch das Urteil?

An dem schrecklichen Geschehen auf der See ändert sich momentan gar nichts, wenn europäische Einheiten unter deutscher Beteiligung Flüchtlingsboote aufbringen und abdrängen. Erst in der letzten Nacht sind 40 Menschen hier bei Agrigent an Land gegangen, und sie haben berichtet, dass bei der Landung sieben weitere Personen ertrunken sind; eine Leiche wurde schon gefunden. Das Sterben geht weiter.

Also kein Grund zur Zuversicht?

Es ist nicht abzusehen, dass die europäische Politik von diesem wahnsinnigen Weg, die Immigrationsfrage in die Hand von Militärs zu legen, abkommen wird. Und im Zweifelsfall landen die Retter vor Gericht. Ich wurde hier zusammen mit Stefan Schmidt länger als fünf Jahre durch einen solchen Schandprozess gezogen, mit einer völlig entfesselten Justiz und Politik.

Wie haben Sie sich aus Deutschland unterstützt gefühlt?

Von den meisten Medien sind wir damals aufs Übelste verleumdet worden. Und bei der Urteilsverkündung war zwar der stellvertretende deutsche Generalkonsul von Neapel anwesend, aber während des ganzen Prozesses hat sich sonst niemand blicken lassen. Und ich vergesse nicht, dass es der deutsche Innenminister Otto Schily war, der uns mit höchst fragwürdigen Methoden in diesen Prozess hineinmanövriert hat.

Was werfen Sie ihm vor?

Er hat in der Öffentlichkeit jede Gelegenheit genutzt, Zweifel an der Lauterkeit unserer Motive zu wecken. Zugleich haben staatliche Stellen aus Deutschland und Italien Falschmeldungen in die Welt gesetzt, die uns diskreditierten. INTERVIEW: MICHAEL BRAUN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • AD
    Axel Dörken

    Die Tragik an allem ist, dass es vom Prinzip her so einfach ist eine Lösung zu nutzen.

     

    Eine Lösung dafür, dass 15.000.000 Menschen jährlich dem Hungertod aus den Klauen entnommen werden.

     

    Eine Lösung der "Immigrationsfrage".

     

    Eine Lösung für alle Umweltfragen.

     

    Miteinander ist diese Lösung. Sie setzt die Einsicht voraus, dass alles und jeder von gleichem Wert ist und somit auch gleiche Rechte hat.

     

    Wenn es dahin kommt, ist die Umschichtung von Geldern nur noch ein Klax. Weltweit herausragende Ernährung für jeden auch. Die Erhaltung der menschlichen Art - polemisch als Umweltschutz verkauft - ist auch geklärt. Und der Gedanke, dass Profit vor dem Sozialen und Ökologischen steht, weicht der Einsicht, dass das Geld ein Nebenaspekt des Lebens, ein Nebenaspekt des Miteinanders, eine Ausdruck von Liebe ist. Für alle und von allen.

     

    Es sind wenige, die viele durch die Art der Nachrichtensteuerung noch im Zaum halten. Doch das Internet weitet sich aus. Noch von der Nutzung der Energie her bedenklich, doch schon bald wird auch dieser Aspekt der Vergangenheit angehören.

     

    Dann wird es nicht mehr helfen Schiffe zu beschlagnahmen, zu verkaufen und die Heiligen dieser Welt zu schmähen. Jene, die den Ärmsten unter uns helfen. Und zwar unter dem Einsatz ihres Lebens und ihrer Ehre.

     

    Liebe Grüße

    Axel

  • D
    Duisbuerger

    Unsere Demokratie braucht mehr Menschen mit den moralischen Werten, dem Mut und der Standfestigkeit von Elias Bierdel.

    Es gibt sie, aber viele von Ihnen sind durch eine ähnliche Mühle wie Kapitän Bierdel gedrückt worden und haben resigniert. Für er ein Hoffnungsschimmer, der vielleicht neuen Mut macht.

    Ich wünsche ihm, dass er sich treu bleibt und alles denkbare Glück auf See und an Land.

    Weiter so!

  • V
    vic

    Die von Herrn Bierdel geschilderten Zustände werden sich, nachdem auch das JA der Tschechei gekauft wurde wesentlich verschärfen.

    Zur Rolle Schilys muss man nichts weiter sagen, ein Bruder im Geiste von Steinmeier.

  • KR
    Kirsten Reinhardt/taz.de

    @ Michael Klein: Haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar! Das war wirklich ein peinlicher Fehler.

  • MK
    Michael Klein

    Danke für die ÄNderung!

  • BL
    Ben Lodemann

    Sind Sie sicher, daß das Foto Herrn Bierdel darstellt? Ich denke eher, daß es Kapitän Schmidt zeigt ?!

  • IN
    Ihr Name sejlana

    Heute morgen kam eine Türkin zu mir und erzehlte wie ihre siebenjärige Tochter in die Schule als Importbraut von ihr Schulkameradin bezeichnet worden ist , weil sich die Medchen weigerte eine deutsche Junge eben siben Jahre alt , auf der Schulhof zu küßen .

    Ich bin seher besorgt wenn die Rasisitische Äuserungen von oben direkt auf fruchbare Boden landen . So etawas kann fatal sein für die hierlebende Muslime .

    Man fragt sich anderseitz auch wie ist möglich in eine Demokratische Europa das die internet-seite

    Politically Incorrect Volksverhetzung ungehindert verbreitet . Diese Blog weicht nicht von direkten Aufruf zu mord , Anstifftung zu Gewalt gegen Muslimen , Belidigunge Ihr Religionzugehörigheit ,und vielles mehr .

  • MK
    Michael Klein

    Da ich Elias Bierdel persönlich kenne muss ich Sie korrigieren Herr Braun! Bei der Person links im Bild handelt es sich nicht um Elias Bierdel, sondern um seinen Vorgänger Stephan Neudeck. Tragischerweise hat er sich seinerzeit auch von den Medien negativ beeinflussen lassen!

    An der Situation vor den Grenzen Europas wird sich wohl kaum was ändern, verheerenderweise interessiert dies auch nur eine MInderheit unserer Bevölkerung, und wenn man sich die KOmmentare durchliest bezüglich der Muslime und der Solidaritätsaufrufe für Herrn Sarazzin, kann man sich echt nur ekeln. Der Spruch "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht" ist heute aktueller und berechtigter denn je! Leider!