: Ewige Wahrheit, original verpackt
■ Loriots Fernseh-Sketche sind auch bühnenfähig. Das Waldau-Theater beweist es mit Dramatischen Werken zum zweiten Mal
Warum soll man Loriot überhaupt auf die Bühne bringen? Diese Frage stellt man sich vor Besuch der neuen Inszenierung des Waldau-Theaters – danach stellt man sie sich nicht mehr. Denn obwohl Loriots „Dramatische Werke II“ ja eigentlich fürs Fernsehen geschrieben sind und Christoph Gottschalch textlich wenig Neues hinzuerfindet, ist seine theatralische Umsetzung kein Abklatsch, sondern eine choreographische Weiterentwicklung und Verdichtung des an sich schon anbetungswürdigen Originals.
Die 14 Sketche und Szenen werden wie in einer Nummernrevue unverbunden aneinandergereiht und lediglich durch eine kurze Vorrede und untermalende Walzermusik im Hintergrund ergänzt. Natürlich kann eine ewige Wahrheit wie „Frauen haben den Blick für einfache, klare Dinge eben verloren und diskutieren am Kern einer Sache grundsätzlich vorbei“ („Aufbruch“) durch ihre Wiederholung nicht mehr wahrer werden. Das gilt erst recht für die Feststellung „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Marzipan in großen Mengen genauso unbekömmlich ist wie Panzerwagen – der Unterschied ist letztlich eine Geschmacksfrage“ („Marzipankartoffel“). Aber die transitorische Unmittelbarkeit des Theaters bekommt ihnen wirklich gut. Und so scheinen die Darsteller selbst spürbar lockerer und vergnügter zu werden, als sich das Publikum schon angesichts des sachlichen Tonfalls bei „Erste Reihe Mitte für drei Erwachsene und einen Riesenschnauzer“ an der Opernkasse zu kringeln beginnt. Kaum noch halten kann es sich dann, als Frau Hoppenstedt beim gleichzeitigen Vertreterbesuch von „Staubsauger Heinzelmann“ und „Spirituosen Stahlhuber & Söhne“ unfreiwillig immer vergnügter wird, und als dann „ein Klavier, ein Klavier“ von der Großmutter aus Massachusetts zu ihrer „harmonischen kleinen Familie“ nach Deutschland gebracht wird, lachen die Zuschauer Tränen bis zu Atemnot und Make-up-Verlust.
Spielwitz und choreographische Dichte erreichen ihren Höhepunkt beim abschließenden Sketch „Ein Bild hängt schief“. Wie die Bewegungen des Vertreters immer behutsamer und zaghafter werden wollen, während immer mehr zu Bruch geht, der Empfangsraum zum Schlachtfeld wird und als Krönung schließlich auch noch ohne irgendeine sichtbare Einwirkung von außen ein Buch aus dem Regal hopst – da sitzt jeder Schritt, jede scheinbar ungeschickte Bewegung und jedes gewollt-danebengehende Zurechtrücken des aus der Ordnung geratenen Mobiliars so vollendet bis ins Detail, dass nach all diesem Lob eigentlich nur noch eins zu ergänzen bleibt: hingehen. Mona Clerico
Weitere Aufführungen: 24.9., 20 Uhr, 25. und 26.9. jeweils 19 Uhr, 28. und 29.9. jeweils 20 Uhr, 30.9., 19.30 Uhr, 1.10., 20 Uhr, 3.10., 19 Uhr.
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