Eventfilm "Die Grenze": Die Schmerz-Grenze
Neonazis spalten Mecklenburg-Vorpommern von Restdeutschland ab - klingt bescheuert, ist es auch: Der Sat 1 Film "Die Grenze" versagt kolossal.
Diesmal sind es nicht die Aleviten, sondern die Ossis: Schon vor der Ausstrahlung des neuen teamWorx-Eventzweiteilers "Die Grenze" kritisierte Norbert Nieszery, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, dass der mit 160.000 Euro vom Land geförderte Film den Nordosten in ein schlechtes Licht rücke.
Mal ganz abgesehen davon, dass ja wohl niemand ernsthaft einen dreistündigen Werbefilm erwartet haben wird, ist Nieszerys Sorge um das Image seines Bundeslandes unbegründet. In ein schlechtes Licht rückt "Die Grenze" nämlich ausschließlich seine Macher. Das muss man so hart sagen, denn derart für dumm verkauft hat man sich als Zuschauer selten gefühlt. Wie kann es passieren, dass Regisseur Roland Suso Richter und Produzent Nico Hofmann, ein eingespieltes Team, beide ebenso erfahren wie renommiert ("Mogadischu", "Dresden"), so ärgerlich danebenlangen?
Mit nicht nachvollziehbarem selbstberauschtem Pomp feierte der Film, eine Fernsehproduktion wohlgemerkt, vor knapp zwei Wochen Premiere am Potsdamer Platz in Berlin. Die Ankunft der Hauptdarsteller wurde live ins Kino übertragen, inklusive der - nun ja - einfachen Fragen von Sat.1-Moderatorin Verena Wriedt. Hinter der Absperrung drängten sich die Kamerateams, viele davon mit Sat.1-, ProSieben- oder N24-Logo. Um ein bisschen Wichtigkeit zu behaupten, ist so eine Senderfamilie schon ziemlich praktisch.
"Was wäre, wenn Deutschland wieder gespalten würde?" - mit dieser Frage ließ Sat.1 das ganze Land zuplakatieren. Das Geld hätte man mal besser in die Entwicklung des Drehbuchs von Christoph und Friedemann Fromm (Bearbeitung: Christoph Darnstädt) gesteckt. Denn die Story von "Die Grenze" - entstanden übrigens nach einer Idee von Produzent Hofmann selbst - ist dünn, die Dialoge sind hölzern, und vor allem fragt man sich, ob es wirklich dieser Film war, über den Hofmann mal sagte: "Wir gehen an die Schmerzgrenze … Wenn dieser Film keine kontroverse Debatte auslöst, haben wir etwas falsch gemacht."
Ersteres trifft zu, aber wohl anders, als Hofmann sich das vorgestellt hat. Und der zweite Punkt? Die ersehnte Debatte scheitert schon daran, dass den Filmemachern kein Politthriller gelungen ist, sondern allenfalls die Karikatur eines solchen, in dem die rechten Saubermänner im Glaspalast weiße Anzüge tragen und die Sozialisten ihre NVA-Uniformen rauskramen und am Lagerfeuer Schnäpse kippen.
Beide Lager erhalten durch eine von weltweiten Terroranschlägen auf Ölraffinerien verschärfte Wirtschaftskrise enormen Zulauf. Bei den Landtagswahlen bahnt sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Neonazi Maximilian Schnell (Thomas Kretschmann) und Altsozi Franz Geri (Jürgen Heinrich) an, die Bundesregierung um Kanzlerin Carla Reuer (Katja Riemann) unterstützt heimlich Geris separatistischen Kurs, um Schnell zu verhindern. Parallel dazu versucht die Verfassungsschutzagentin Linda Jehnert (Anja Kling) die Demokratie zu retten und zerstört dafür erst mal die Existenz von Rolf Haas (Benno Fürmann).
Wie es das krude Drehbuch will, war der nämlich mal der beste Freund von Schnell, dessen Vertrauen er nun wiedergewinnen soll. Und dann ist da noch Haas Exfreundin Nadine Manz (Marie Bäumer), die bei den Unruhen ihren Sohn verliert und ihre Tochter beinahe auch, nur eine teure OP kann das Augenlicht der Kleinen retten … - lieber Herr Nieszery, glauben Sie jetzt, dass "Die Grenze" nicht Meck-Pomm gefährlich werden kann, sondern nur den Leuten, die sich für viel Geld dieses halbgare, langatmige, klischeegespickte Rührstück mit Thrilleranleihen ausgedacht haben?
15. und 16. März, 20.15 Uhr, Sat 1
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Zoff zwischen SPD und Grünen
Die Ampel? Das waren wir nicht!
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär