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Event Kaum hat das Geschäftsjahr angefangen, öffnen überall die Messen wieder ihre Tore. Was macht eigentlich eine Messe?„Wo viel experimentiert wird, gibt es auch viel Schwund“

Interview Doris Akrap

taz.am wochenende: Herr Kötter, Grüne Woche, Jagd & Hund, Internationale Weltleitmesse für saisonale Dekoration und Festschmuck Christmasworld – warum gibt es im Frühjahr eigentlich so viele große Messen?

Harald Kötter: Messen gibt es immer. Außer an Weihnachten. Aber Messetermine richten sich oft nach den Orderterminen der Händler. Und die liegen oft am Jahresanfang. So eben auch das Weihnachtsgeschäft.

Wenn man sich den Messekalender ausdruckt, dauert das ein paar Minuten. Täuscht der Eindruck, dass es immer mehr Messen gibt?

Ja. Es werden nicht mehr. Wir führen in Deutschland etwa 160 bis 180 Messen von überregionaler Bedeutung. Insgesamt aber gibt es deutlich über 1.000 Veranstaltungen pro Jahr, die meisten davon sind aber regional. Also solche, die vor allem auf Besucher abzielen, die im Umkreis von etwa 100 Kilometern wohnen. In dem Bereich Besuchermesse gibt es sehr viele Experimente. Aber wo viel experimentiert wird, gibt es auch viel Schwund.

Gefühlt jede Kleinstadt hat ihre eigene Hochzeitsmesse. Was ist da los?

Harald Kötter

Diplom-Volkswirt, Geschäftsbereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit & Messen Deutschland beim Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e. V. (AUMA).

Das hat in der Tat relativ stark zugenommen. Das sind aber oft nur Tages- oder Wochenendveranstaltungen. Ich spekuliere mal, dass es in diesem Bereich einfach immer weniger Einzelhändler in den mittleren Städten gibt, und dann präsentieren sich auf solchen Messen eben nicht nur Hersteller, sondern auch Händler. Und es gibt auf diesen Hochzeitsmessen viele Zusatzangebote, vom Restaurant bis zum Fotografen.

Was ist der Unterschied zwischen einer Messe auf einem Messegelände und einer Verkaufsshow auf einem Möbelhausparkplatz?

Es gibt eine Definition in der Gewerbeordnung, die besagt, dass eine Messe eine Veranstaltung ist, die für Fachbesucher ausgelegt ist und für das Angebot der Branche repräsentativ sein muss. Es ist aber nicht strafbar, den Begriff Messe anders zu verwenden. Für den Verbraucher ist es dennoch irreführend.

Wer sind eigentlich die Erfinder der Messe?

Ursprünglich waren Messen regionale Plattformen für den Warenaustausch. Die Hersteller kamen zwei Mal im Jahr zu einem Marktplatz, um an Ort und Stelle ihre Waren an Händler zu verkaufen. Die ersten überregionalen Messen wurden vor rund 800 Jahren in Frankfurt und Leipzig gegründet. Erst als sich die Produktionsbedingungen änderten, als die industrielle Produktion begann, änderte sich der Messecharakter. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Mustermesse in Leipzig erfunden. Die Hersteller brachten nur noch Produkte zur Anschauung auf die Messe, die dann später je nach Auftragslage hergestellt wurden. Und so ist es bis heute.

Die Geheimnisvollen

Das Schönste an den Messen sind ihre Namen. Wer mal bei der SÜFFA in Stuttgart vorbeischauen will, weil er dort Süßes oder Süffiges erwartet, wird überrascht: Es handelt sich um die „Fachmesse für die Fleischbranche“. Auch wer auf die KONTAKTA geht, um sein Adressbuch zu erweitern, wird enttäuscht: In Heidenheim wird über alles informiert, was das Leben in Ostwürttemberg ausmacht; Handwerk, Energieeffizienz, Pilgerreisen. Bei der Z geht es – logisch – um die „Internationale Zuliefermesse für Teile, Komponenten, Module und Technologien“. Und bei der IDS? Um die „Internationale Dental-Schau“ – das war ja wohl leicht! DAKR

Die meisten Dinge kann man sich heute im Internet an­gucken. Wozu noch Messe?

Ein weltweit beachtetes Event zur Präsentation des neuen iPhones ist eine Ausnahme. Für viele Hersteller sind Messen wichtig, um ihre Produkte vorführen zu können. Die Qualität eines Gerätes können sie online nicht beurteilen. Eine Messe ist aber auch eine Kommunika­tionsplattform, um Verträge vorzuverhandeln und Geschäftsbeziehungen aufzubauen.

Wem gehören die Messen?

Viele Messegesellschaften und Messegelände in Deutschland den Städten oder Ländern. Entweder richtet die Messegesellschaft die Messe aus oder Privatunternehmen und Verbände mieten das Messegelände.

Die Größte

Sicher, jede Messe hält sich für die Größte. Die aber, die die Größten hat, ist die „bauma: Internationale Weltleitmesse für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte“. Wochenlang transportieren 500 Schwertransporter Bagger, Kräne und anderes Baustellengerät nach München auf das 500.000 Quadratmeter große Ausstellungsgelände. Für Besucher werden Sonderzüge und Sonderflugzeuge sonder Zahl bereitgestellt. Alle, die es etwas kleiner mögen, sollten sonntags die Messe in Corleone besuchen. Nach dem Gottesdienst kann man auf dem Hauptplatz die neuesten Bagger Siziliens bestaunen. DAKR

Sind Messen für die Städte wirklich von so großer wirtschaftlicher Bedeutung, wie es immer heißt?

Ja. Sehr bedeutend sogar. Aussteller und Messebesucher in Deutschland geben für Standmieten, Standbau, zusätzliches Personal, Eintritte, Übernachtungen, Verpflegung insgesamt etwa 12 Milliarden Euro im Jahr aus. Alles zusammengenommen beträgt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Messen in Deutschland etwa 25 Milliarden Euro – denn es profitieren auch viele andere Branchen, die Vorprodukte liefern.

Das Institut der Deutschen Messewirtschaft spricht von Messewissenschaft. Kann man das studieren?

Die Kleinste

Selbst bei den Kleinsten geht es um die Größten. Die „Minia­tura Birmingham“, das „Dukkeshusfestival“ im dänischen Farum und die „Casas des Munecas“ in Malaga konkurrieren um den Status der größten europäischen Miniaturmesse. Nicht zu verwechseln sind diese Puppenhausmessen mit den sogenannten Minimessen. Als solche werden Veranstaltungen wie die „ZOW“ in Bad Salzuflen bezeichnet, wo sich jeden Februar die ostwestfälischen Möbelzulieferer versammeln. Zu Unrecht blieben diese Minimessen unter der Wahrnehmungsschwelle, kritisieren Experten. Wenn Sie noch keinen Plan für Februar haben, wissen Sie ja jetzt Bescheid. DAKR

Nein, im strengen Sinne nicht. Messewissenschaft ist ein Dachbegriff für alle wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zusammenhang mit Messen. Wir arbeiten mit unserem Institut der Deutschen Messewirtschaft eng mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen zusammen und betreiben die einzige deutsche Messebibliothek mit Sitz in Berlin. Wir unterstützen auch viele Universitäten und Hochschulen bei Vorlesungen im Bereich Betriebswirtschaftslehre, Geografie, Tourismus dabei, Wissen über die Bedeutung von Messen zu vermitteln.

Ist Deutschland Weltmeister in Sachen Messen oder ist ein voller Messekalender woanders auch normal?

In Deutschland gibt es in der Tat die meisten internationalen Messen. Aber es gibt in anderen Ländern schon auch sehr viele. Nur sind sie in Frankreich oder Italien beispielsweise konzentrierter auf einzelne Städte, Paris und Mailand. Durch die dezentrale Struktur ist das in Deutschland anders. Die größten Messeveranstalter aber kommen aus England. Dabei handelt es sich um Privatunternehmen oder Aktiengesellschaften ohne eigenes Messegelände. Die operieren seit 50 Jahren weltweit und organisieren in Asien weit mehr Messen als zu Hause in England. Die deutschen Veranstalter organisieren immerhin jährlich über 300 Messen im Ausland.

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