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„Evakuierung dringend notwendig“

■ Anhörung zu den Umweltschäden nach dem Golfkrieg im Bundesumweltausschuß/ Smog über Kuwait voll hochgiftiger Konzentrate/ Kohlenstoff bis auf Zugspitze und Hawaii verweht

Bonn (taz) — Die Lage der Bevölkerung in der Golfregion, insbesondere in der Nähe der brennenden Ölquellen ist katastrophal. Zu diesen dramatischen Schlußfolgerungen kamen Wissenschaftler bei einer Anhörung des Umweltausschusses des Bundestages. Am weitesten ging der Kieler Toxikologe Otmar Wassermann. Er forderte kategorisch: „Eine Evakuierung der Bevölkerung ist dringend notwendig.“ Die smogähnlichen Bedingungen in Kuwait würden „alles bisher Dagewesenene übertreffen“. Am Rande der Anhörung wurde bekannt, daß in der kuwaitischen Stadt Mina Saud nahe der saudischen Grenze Schwefeldioxidkonzentrationen gemessen worden seien, die doppelt so hoch waren wie die bisher höchsten bekannten 11.000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In London waren schon bei 3.800 Mikrogramm bei den berüchtigten Smogs der fünfziger Jahre Tausende von Menschen gestorben. Wassermanns Osnabrücker Kollege Lieth verglich plastisch: „Es ist wie nach einem Brandbombenangriff im Zweiten Weltkrieg. Da lief man wochenlang mit Husten und Atemnot umher.“

Das Bedürfnis der ParlamentarierInnen nach konkreten Informationen oder gar Handlungsanweisungen konnten die versammelten Professoren nicht erfüllen. Sie waren in ihren Analysen häufig genug auf die Informationen aus Zeitungsmeldungen angewiesen, um ihre Modellrechnungen anwenden zu können. Die erste Forderung lautete daher allgemein: Wir müssen endlich Meßsysteme installieren; Meßsysteme, um die Bevölkerung vor der Luftverschmutzung zu warnen, Meßsysteme aber auch, um herauszufinden wie stark die landwirtschaftlich genutzten Flächen geschädigt werden. Winfrid Bach, Klimatologe von der Uni Münster, beklagte, daß an der Nichtweiterleitung von Informationen viel Hilfe scheitere.

Die interessantesten neuen Modellüberlegungen legte Wolfgang Seiler vom Fraunhofer Institut für athmosphärische Umweltforschung in Garmisch-Partenkirchen vor. Seiler warnte insbesondere vor den toxischen Auswirkungen bestimmter Kohlenstoffverbindungen, die bei den Bränden am Golf entstünden. Diese Gifte würden ja nicht nur beim „Einatmen, sondern auch im Wasser und in der Ernährung wirksam. Vor allem eine mögliche Anreicherung in Pflanzen könne erhebliche Auswirkungen auf die Menschen in der Region haben. In größerer Entfernung von den Bränden, nach 500 bis 1.000 Kilometern, könnten einige der Kohlenwasserstoffverbindungen durch den Einfluß des Sonnenlichts zu anderen Ultragiften mutieren.

Seiler hatte auch noch einige kleine Detailinformationen bereit. So haben Messungen inzwischen Ruß, der wahrscheinlich vom Golf stammt, auf Hawaii und auf der Zugspitze festgestellt. Ein Aha-Erlebnis löste der Bericht des Wissenschaftlers aus, daß bei Flügen über den Golf in 10 bis 12 Kilometer Höhe, also weit über den Rußwolken, die Flugbesatzungen sich bei den Fluggästen für die Geruchsbelästigung an Bord entschuldigen. Hermann-Josef Tenhagen

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