Eva Herman und die Loveparade - Teil 2: "Ich habe einen Traum"
Christliche wie muslimische Hardliner applaudieren Herman für ihre Äußerungen zur Loveparade. Sie selbst relativiert – bleibt aber bei ihrer grundsätzlichen Kritik.
Einen Tag nach der Katastrophe von Duisburg, bei der 20 Menschen starben, schrieb die ehemalige Tagesschau-Moderatorin Eva Herman einen Beitrag, in dem sie das Unglück als mögliche Strafe Gottes für die „Sodom und Gomorrha“-Party darstellt. Die Medien sprangen auf die Provokation an. Nicht nur die taz, auch Süddeutsche, Welt, Bild und andere Zeitungen und Onlineportale berichteten darüber.
Die fühlt sich jetzt wohl missverstanden. Am Montag folgte ihre, - nennen wir es vorsichtig - Entschuldigung. „Sollten sich dennoch Familienangehörige, Freunde und Solidargemeinschaft in ihrem Pietätsgefühl verletzt sehen, so tut mir dies aufrichtig leid“, schreibt Herman. Ihr sei es wichtig klarzustellen, dass sie „in dem Artikel“ ihr „tiefstes Beileid ausgesprochen habe.“
Immerhin einen Absatz widmet sie ihrer ungelenken Klarstellung - um dann in epischer Breite ihre Kritik an der Loveparade und am allgemeinen Sittenverfall der Gesellschaft fortzuführen. Dabei zeigt Herman Recherche-Künste. „Es ist bekannt, dass hier (auf der Loveparade, d. Red.) von Beginn an außerordentlich viele Drogen und Alkohol konsumiert wurden, was mir übrigens von Kritikern und Insidern gestern immer wieder bestätigt wurde.“ Immer noch seien die Achtundsechziger Schuld, die Werte wie moralischen Anstand abgeschafft hätten. Immer noch sei ihr „Herz schwer“, wenn sie „die vielen Fehlentwicklungen mit ansehen“ müsse. War sie im ersten Text noch Angreiferin, präsentiert sie sich hier als Opfer. Mit den Zuweisungen als Ewiggestrige oder Störenfriedin aber lebe sie inzwischen ganz gut.
Mit ihren Äußerungen vom Sonntag traf Herman den Nerv religiöser Hardliner – christlicher wie muslimischer. Auf www.kreuz.net, einer Hetzseite der katholischen Rechten, etwa steht: „Vernichtender Schlag gegen satanische Alkohol- und Sexorgie“. Herman wird ausführlich zitiert. Die Kommentatoren feiern ihre Vorbeterin begeistert in mehreren hundert Beiträgen („Eine triebgesteuerte, notgeile und zugedröhnte Horde Asozialer hat den Zorn des Herrn heraufbeschworen“ oder ganz schlicht: „Ihr ist absolut zuzustimmen“). Einigen kommt die Kritik aber von falscher Seite: „Woher eine Frau, die in einer sogenannten vierten Ehe der außerehelichen Unzucht nachgeht, diese Frechheit nimmt, das ist wirklich ein Geheimnis…“ Auch ihre Vergangenheit als ARD-Moderatorin missfällt einigen: „Da hat sie sich bei ihren früheren Talk-Shows beim NDR bedeutend unzüchtiger gekleidet präsentiert (als die Teilnehmer der Loveparade d. Redaktion)!“
Von radikalislamistischer Seite kommt ebenfalls Zustimmung, die teils deutlich härter formuliert ist. Im Forum auf www.ahlu-sunnah.com (Islam nach Quran und Sunnah) etwa schreibt „Al_Intissar“: „Und das ist nur eine von vielen Strafen Allahs. Was soll man auch anderes Erwarten. Da treffen sich Homosexuelle und es wird Kuffr (Unglaube, d. Red.) und Munkarat (im Islam verbotene Dinge, d. Red.) bis zum geht nicht mehr getrieben.“ und „Inshalla72“ schreibt: „und man sieht mal wieder die gerechtigkeit allahs...“.
Auf www.dawa-news.net steht „Ein treffen, wie vom Teufel inszeniert, welches zu schlechten Taten aufruft und durch selbige durchweg begleitet wurde. Niemand kann eine Sache stoppen, die Allah s.t. bestimmt hat.“ Herman vermutet dagegen "nur", dass es eine Rache Gottes gegeben habe: "Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen."
Paradox, dass Islamisten wie Islamfeinde außnahmsweise auf einer Seite stehen. Der islamophobe Blog pi-news.net etwa pflichtet Herman bei, ebenso wie über 300 Kommentatoren. Auch der bekannte Islamkritiker und Publizist Udo Ulfkotte verteidigt Herman auf der Onlineseite des Kopp-Verlags, wo auch die Texte von Herman selbst veröffentlicht werden. Er wirft den Medien vor, die Moderatorin als „Bösewicht“ darzustellen und „in den Jagdaufruf“ gegen sie einzusteigen. Besonders von der Bild-Zeitung scheint er enttäuscht zu sein, titelte sie doch: „Eva Herman verhöhnt Opfer der Loveparade“. Ulfkotte schlägt vor, dass Herman Bild-Chef Kai Diekmann in einem Roman ja literarisch sterben lassen könnte.
In seinem Text stellt Ulfkotte auch andere steile Thesen auf. So bedauert er, dass die teils harten Äußerungen von muslimischer Seite nicht von den Medien problematisiert werden: „Unsere muslimischen Mitbürger dürfen sich ungestraft so äußern – sie sind in diesem Land ja inzwischen auch Menschen erster Klasse.“ Die „ethnische Deutsche“ Eva Herman, die dazu noch „blond und intelligent“ sei, werde von der Journalistenmeute dagegen wie die Sau durchs Dorf getrieben.
Da springt Eva Herman einer zur Seite, dessen Beistand sie noch mehr ins Abseits rückt. Dabei will sie doch eigentlich in die Mitte, in die Herzen der Menschen, der schweigenden Mehrheit. In ihrem am Montag veröffentlichten Text jedenfalls skizziert sie eine Zukunftsvision für Deutschland und zitiert dabei einen Prediger, der wie kein zweiter die Menschen begeistert hat - Martin Luther King: „Ich habe nämlich einen Traum. Den Traum eines Landes mit glücklichen Menschen, ohne Drogen, ohne übermäßigen Alkohol, ohne eine sexualisierte Gesellschaft, sondern eines Landes, in dem Menschen leben, denen Verlässlichkeit und gegenseitiger Respekt wichtig sind.“ Dafür will sie kämpfen. Denn: „Man verändert nichts, wenn man nichts tut und nichts sagt“.
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