■ Medienschau: Europaparlament rügt Bundesregierung
In den letzten Wochen hat sowohl in der Türkei als auch in Deutschland eine rege Debatte um die seit dem 15. Januar eingeführte Visumpflicht für Kinder unter 16 Jahren stattgefunden. Das Europäische Parlament hat nun die Bundesregierung gerügt und um eine Aufhebung dieser Visumpflicht gebeten. Die Fraktion der Grünen im Europaparlament, allen voran ihre Sprecherin Claudia Roth, haben auf diese Entscheidung gedrängt. In den türkischen Medien ist die Entscheidung des europäischen Parlaments euphorisch aufgenommen worden, und besonders Claudia Roth, die ansonsten nicht die beste Presse in der Türkei besitzt, wurde einstimmig Dank zuteil. Das Massenblatt Sabah (Frankfurt) führte ein Interview mit Claudia Roth mit der Überschrift „Das Ziel ist die Schaffung einer Gesellschaft auf der Basis einer Rassentrennung“. Weiter heißt es: „... Zur Erhaltung des sozialen Friedens ist es unumgänglich, daß nicht nur die Türken gegen die Visumpflicht auf die Straße gehen, sondern auch die Deutschen. Ich appelliere an alle Deutschen hinsichtlich der Gefahr einer Apartheid, sich ihrer Verantwortung bewußt zu werden. Der negativen Entwicklung der Dinge galt es auf europäischer Ebene Einhalt zu gebieten, jedoch werden sich die Reaktionen des Innenministers Kanther und der Regierung auf diesen Entscheid des Europaparlaments wohl gering ausnehmen... Die Visumpflicht stößt gegen die Vereinbarungen, die im partnerschaftlichen Vertrag zwischen der Türkei und der EU getroffen wurden... Einige griechische und belgische Abgeordnete des Europaparlaments haben sich gegen die Visumpflicht ausgesprochen. Die Einführung dieser Visumpflicht sei Teil der Wahlpropaganda für die Bundestagswahlen 1998, und bedauerlicherweise würde die chauvinistische und rassistische Form dieser Wahlpropaganda auf dem Rücken der Ausländer ausgefochten. Letztlich versuche die Regierung, ihre Probleme auf die gesellschaftlich schwachen Gruppen abzuwälzen.“ 22.2.1997
Redaktion: Edith Kresta, Bülent Tulay
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