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Europameisterschaft im HockeyKrasser Genuss

Die runderneuerte deutsche Auswahl lässt Frankreich im Auftaktspiel der Hockey-EM keine Chance. Wie weit das Team schon ist, wird sich erst zeigen.

Zielstrebig: Lilly Stoffelsma zieht an Gegenspielerin Marie-Alice Pelletier Rimbert vorbei Foto: dpa

Mönchengladbach taz | Sie wolle versuchen, das Ganze jetzt erst mal zu begreifen und „krass zu genießen“, sagte eine von den Eindrücken überwältigte Sophia Schwabe nach Schlusspfiff. Die 22-Jährige hatte gerade ihr erstes Spiel bei einer Feldhockey-Europameisterschaft bestritten. Statt ein schüchternes EM-Debüt im Kreis der deutschen Frauen-Nationalmannschaft hinzulegen, schwang sich die Stürmerin vom deutschen Vizemeister Düsseldorfer HC vor über 5.000 Zuschauern ungeahnt zur Hauptdarstellerin auf. Und stand dann voll im Fokus von Fans und Medien.

Mit 4:1 gegen Frankreich hatte die deutsche Mannschaft ihr Auftaktspiel der Heim-EM in Mönchengladbach gewonnen. Zwei Tore zum 2:0 und 4:0 schoss Schwabe selber, und für die anderen beiden durch Sara Strauss (1:0) und Lena Micheel (3:0) gab sie die Vorlage. Den bei solchen Sport­events mittlerweile üblichen Sonderpreis als „Player of the Match“ konnte gar niemand anderes bekommen als Schwabe.

Nach den Olympischen Spielen 2024, die mit Platz sechs eher ernüchternd für die Frauenauswahl des Deutschen Hockey-Bundes endeten, hatte es einen großen Umbruch gegeben. Neben einem halben Dutzend Führungsfiguren und langjährigen Leistungsträgerinnen verabschiedete sich auch der damalige Bundestrainer Valentin Altenburg.

Spielerinnen wie Sophia Schwabe und viele andere rückten schneller, als sie das vielleicht selber erhoffen konnten, in die erste Reihe auf. Und mit der Niederländerin Janneke Schopman bekam die runderneuerte Truppe auch eine neue Chefin an der Seitenlinie. Letztlich standen gegen Frankreich sieben deutsche Spielerinnen auf dem Platz, die ihr EM-Debüt gaben, für sechs davon war es das erste Meisterschaftsturnier überhaupt. Und so mischte sich in die Vorfreude auch ein ordentliches Maß an Ungewissheit, ob die neue Formation schon für den Ernstfall gewappnet ist.

Der Mix macht's

„Wir sind ein bisschen nervös gestartet“, hatte Schopman Verständnis, sah ihre Truppe aber schnell auf Kurs kommen. „Die Spielerinnen mit größerer Erfahrung bringen die Ruhe, und dann sieht man, dass die jungen Spielerinnen Gas geben können und die Energie ins Spiel bringen“, erlebte die Bundestrainerin bald den von ihr erhofften „perfekten Mix“. Routiniers wie Selin Oruz (28), die schon ihre sechste EM bestreitet und die letzte Verbliebene aus dem olympischen Bronzemedaillenteam von Rio 2016 ist, gaben Halt und Ordnung, die in eine starke erste Halbzeit mit vier Toren mündete.

Freilich ist jedem im deutschen Lager bewusst, dass der Weltranglisten-19. aus Frankreich noch nicht der wahre Gradmesser für die Leistungsfähigkeit der neuen DHB-Auswahl war. Der ultimative Reifetest steht am Montag (20.30 Uhr) bevor, wenn Deutschland in seinem zweiten Gruppenspiel auf die Niederlande treffen wird. Die Holländerinnen sind nicht nur EM-Titelverteidiger, sondern spielen als amtierender Weltmeister und Olympiasieger seit Jahren wie in einer eigenen Liga. Es gibt in der Hockeyszene kaum jemand, der davon ausgeht, dass die Niederlande in Mönchengladbach bei der 17. EM der Frauen ihren 13. Kontinentaltitel verpassen werden.

Gehört ausgerechnet die Niederländerin Schopman zu den wenigen, die ein anderes Szenario für möglich halten? „Nein, sie sind nicht unbesiegbar“, entgegnete die Bundestrainerin am Samstag auf die entsprechenden Fragen der Journalisten. „Ich glaube, dass wir jeden schlagen können, dass wir jedes Spiel gewinnen können“, hält die 48-Jährige ihre Truppe für fähig, sogar die Nummer eins der Hockeywelt zu stürzen.

Ich glaube, dass wir jedes Spiel gewinnen können

Janneke Schopman, Bundestrainerin

„Sie weiß natürlich, wie Holland tickt“, erhofft sich Torfrau Julia Sonntag, mit 33 Jahren die Älteste im deutschen EM-Kader, die entscheidenden Tipps von Schopman, die in ihrer Spielerinnenkarriere ausgerechnet im olympischen Endspiel 2004 selber mal eine der ganz wenigen Niederlagen gegen Deutschland einstecken musste. „Sie ist sehr fordernd, aber auch sehr akribisch in ihrer Analyse“, beschreibt Co-Kapitänin Linnea Weidemann die neue Bundestrainerin, die dem Team „sehr genau sagen kann, was wir zu tun haben“.

Selbst bei einer Niederlage gegen die Niederlande hätte die deutsche Mannschaft weiterhin alles in eigener Hand und könnte mit einem Sieg über Irland im letzten Gruppenspiel (Mittwoch, 20 Uhr) den Einzug ins Halbfinale am Freitag klarmachen. „Am Ende kommt es auf die K.o.-Spiele an“, weiß auch der Neuling Sophia Schwabe. Im Idealfall am kommenden Sonntag um eine Medaille zu spielen, würde sie in jedem Fall gewiss wieder krass genießen.

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