Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung: 511 Jahre Knast und jede Menge Euro
Die EU-Betrugsbehörde hat 691 Millionen Euro zurückgeholt und langjährige Haftstrafen ausgesprochen. Ein Teilerfolg, denn der Behörde fehlt es oft an Durchschlagskraft.
BRÜSSEL taz | Zunächst klingt die Zahl beeindruckend: Im vergangenen Jahr hat das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) 691 Millionen Euro von den Mitgliedsstaaten eingetrieben. Dabei handelt es sich um EU-Fördergelder, die die Staaten beziehungsweise Unternehmen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, mit Hilfe von Betrug oder Korruption erhalten haben.
Aufgrund der Ermittlungen von Olaf wurden außerdem Gefängnisstrafen in Höhe von insgesamt 511 Jahren verhängt. „Der Kampf gegen Korruption und Betrug ist wichtiger denn je. Dank unserer Untersuchungen konnten wir einen hohen Betrag für den europäischen Steuerzahler zurückbekommen“, sagte der Olaf-Generaldirektor Giovanni Kessler.
Dennoch ist das wohl nur die Spitze des Eisberges, vermutet die CDU-Europaabgeordnete und Haushaltsexpertin Ingeborg Grässle: „Olaf ist völlig überfordert, weil ein eindeutiger Rechtsrahmen fehlt. Allein in Griechenland sind Forderungen von knapp einer Milliarde Euro offen.“ Aber um dieses Geld tatsächlich zurückzuholen, habe Olaf nicht die Durchsetzungskraft.
Letztendlich kann das Amt die Mitgliedsstaaten nur freundlich auffordern, das Geld zurückzuzahlen. Die Regierungen haben sich bisher erfolgreich dagegen gewehrt, eine europäische Staatsanwaltschaft einzurichten. Und die Verfahren auf nationaler Ebene verlaufen oft im Sande.
Sehr unterschiedliche Erfolgsquoten
2011 wurden weniger als die Hälfte der Olaf-Ermittlungen von nationalen Gerichten weiterverfolgt, und in wiederum nur 42 Prozent dieser Fälle kam es tatsächlich zu Verurteilungen. In Griechenland waren es sogar nur 19 Prozent; in Rumänien 23 und in Deutschland immerhin 57 Prozent.
Es sei, so Ingeborg Grässle, in einigen Mitgliedsstaaten durchaus üblich, dass Beamte der Europäischen Union oder aber der nationalen Verwaltungen kleine Entgelte von Firmen oder Landwirten verlangen, um entsprechende Fördergelder zu bewilligen.
„Fünf Prozent ’Aufwandsentschädigung‘ für jeden Auftrag sind durchaus normal. Vor allem jetzt in der Krise, in der in einigen Ländern wie Griechenland die Verwaltungen völlig zusammenbrechen, wird das noch schlimmer“, sagt Grässle. Eine verlässliche Statistik hierzu gebe es aber nicht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt