Europäischer Gerichtshof soll entscheiden: Streit um Kirchenaustrittsgebühr
Zum Ärger von Vielen muss in zwölf Bundesländern derzeit für den Austritt aus der Kirche gezahlt werden. Jetzt wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet.
KÖLN taz Die umstrittene Kirchenaustrittsgebühr in Nordrhein-Westfalen beschäftigt jetzt auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht seine Verfassungsbeschwerde gegen die von der schwarz-gelben Landesregierung 2006 eingeführte Austrittsmaut in Höhe von 30 Euro nicht zur Entscheidung angenommen hat, zieht nun ein Kölner Jurist nach Straßburg. "Die Religionsfreiheit bedeutet für mich auch: frei von Religion sein zu dürfen - ohne dafür schikaniert zu werden oder zu bezahlen", begründete der 29-jährige Beschwerdeführer Fabrice Witzke seinen Schritt.
Unterstützt wird das SPD-Mitglied, das im Juli 2007 aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten ist, dabei vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA). "Wir halten an unserer Auffassung fest, dass eine Gebühr für den Austritt aus einer Kirche gegen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit verstößt", sagte der Vorsitzende des in Hagen ansässigen Verbandes, Rudolf Ladwig.
Die Erhebung einer solchen Abgabe ist nicht allein ein nordrhein-westfälisches Phänomen. Derzeit bitten zwölf der sechzehn Bundesländer zum Kirchenaustritt Entschlossene zur Kasse. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom Juli 2008 zwar eingeräumt, dass die Austrittsgebühr die Religionsfreiheit einschränkt, sie jedoch mit dem staatlichen Kirchensteuereinzug gerechtfertigt. Sein Mandant habe gute Chancen, dass die europäischen Richter zu einer anderen Auffassung gelangen werden, ist Witzkes Rechtsanwalt Joachim Granzow überzeugt. Kirchenaustrittsgesetze seien eine "sehr deutsche Spezialität, das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt", sagte Granzow.
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