piwik no script img

Europäische Parteien für EU-LänderEin neuer Anlauf für Paneuropa

Zur EU-Wahl treten Parteien an, die länderübergreifend in Europa agieren wollen. Ihre Chancen für einen Sitz im EU-Parlament sind nicht besonders gut.

Sie lieben die EU – Die Partei Volt will eine länderübergreifende Partei in Europa sein Foto: dpa

Volt ist eine von mehreren Parteien, die bei der Wahl zum Europäischen Parlament vom 23. bis 26. Mai einen von manchen EuropäerInnen lang gehegten Traum verwirklichen wollen: Eine länderübergreifende, mehr oder minder homogene Partei oder Bewegung in möglichst vielen Mitgliedsländern wählen zu können.

Zwar gibt es bereits sogenannte „europäische politische Parteien“, doch unter ihnen ist etwas anderes zu verstehen, als es etwa Volt sein will. Sie sind vor allem Zusammenschlüsse ähnlich gesinnter nationaler Parteien, die nicht darauf abzielen, BürgerInnen als individuelle Mitglieder zu gewinnen. Bei der Wahl zum EU-Parlament treten wiederum ausschließlich die nationalen Parteien mit ihren Kandidaten an.

Neben Volt will in diesem Jahr unter anderem DiEM25 mit einem Wahlbündnis namens „Europäischer Frühling“ für transnationale, also länderübergreifende Demokratie sorgen. Für deren deutschen Ableger „Demokratie in Europa“ geht der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis als Spitzenkandidat ins Rennen.

Die Deutschen können aber auch die Liebe wählen – genauer gesagt die EPL, die Europäische Partei Liebe. Sie ist Teil des internationalen Bündnisses Parti European L’AMOUR und wirbt zumindest auf ihrer deutschsprachigen Website damit, „ihre Tätigkeit auf dem ganzen Territorium der Europäischen Union“ auszuüben.

EU-Wahlkämpfe sind national

Eines eint diese proeuropäischen Bewegungen zu ihrem Leidwesen: Große Chancen auf Mandate werden ihnen nicht eingeräumt. Frühere Versuche transnationaler Vorgänger versandeten – wie der der Newropeans, die 2009 antraten. „Es ist bisher noch keiner dieser Parteien gelungen, wirklich die Schwelle der öffentlichen Aufmerksamkeit zu überschreiten, die notwendig wäre, um substanziell Sitze zu gewinnen“, sagt Politikwissenschaftler Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

„Das Wahlrecht zum europäischen Parlament zwingt auch diese europaweiten Parteien, trotzdem in einzelnen Gruppen jeweils in den Mitgliedstaaten anzutreten – und nicht mit einer gemeinsamen europäischen Liste, die vielleicht größere Aufmerksamkeit gewinnen könnte“, erklärt der EU-Experte. Zudem bestätige sich trotz gestiegener Aufmerksamkeit für Europa und seine Krisen auch 2019, dass die Wahlkämpfe 28 nationale Wahlkämpfe seien, in denen auch über nationale Themen gestritten werde.

Dabei hatten einige Abgeordnete in Straßburg vor nicht allzu langer Zeit einen Versuch für eine länderübergreifende Liste gestartet. Wäre der Brexit Ende März tatsächlich vollzogen worden, wären pünktlich zur Wahl 73 Sitze frei geworden. Wäre es nach Sozialdemokraten, Linken und Grünen gegangen, wären 27 dieser Mandate bei der Stimmabgabe in circa drei Wochen für eine transnationale Liste genutzt worden. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) sorgte jedoch mit ihrer Ablehnung dafür, dass er durchfiel. Nicht zuletzt aus parteitaktischen Gründen, sagt von Ondarza, „weil sie bisher ihre Stärke aus den nationalen Parteien zieht“.

Chancen in Deutschland

Ein besonderer Befürworter der transnationalen Listen war dagegen: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der offenbar zunächst selbst den Plan hatte, mit der Regierungspartei La République en Marche länderübergreifend zu arbeiten. Ende 2017 zitierte die belgische Zeitung Le Soir den En-Marche-Parteichef und heutigen Innenminister Christophe Castaner noch mit den Worten, man wolle „auf dem europäischen Niveau machen, was wir in Frankreich schon gemacht haben, aus dem traditionellen Rahmen ausbrechen und aus der Logik der Opposition zwischen rechts und links“.

Geworden ist daraus nichts – wohl „weil die Chancen zu gering erachtet worden sind, sich in vielen Mitgliedsstaaten parallel mit ganz neuen Parteien zu etablieren“, so von Ondarza.

Für die Neuen von Volt wird es nicht leicht. „In Deutschland haben sie wegen der fehlenden Sperrklausel und den meisten, nämlich 96 Sitzen, wohl noch die größten Chancen, auf einen der Sitze“, sagt von Ondarza. Bei der Wahl 2014 hätten 0,6 Prozent der Stimmen für Die Partei ausgereicht, um einen Sitz zu erreichen. „Mehrere Sitze kann ich mir schwer vorstellen, eben wegen der Art und Weise, wie EU-Wahlen und der Europawahlkampf funktionieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Dank an Eva Oer für Ihren erhellenden Beitrag.

    Die Newcomer Volt, DiEM25 entfalten hoffnungsvoll einen Elan, der etablierten Parteien, gleich in welchem EU Land, zur Europawahl eher abgeht, weil die, anders als die Newcomer, mit Sorge um die Pfründe ihrer national legitimiert alimentierten Finanzen Austerity hausieren gehen, Ladehemmung haben, während die Newcomer nichts zu verlieren haben außer ihren Ketten, um mit Marx & Engels zu sprechen.

    Gleichzeitig entwickeln Newcomer Volt, DiEM25 über sozial interaktive Medien ein eigendynamisch wirksameres Verständnis von vierter Gewalt und mit deren einbeziehenden Umgang.Da mag uns Fridays of Future ein Menetekel, von unerwartet durchschlagendem Europawahl Erfolg zu sein.

    • @Joachim Petrick:

      Gegen "Finanzen Austerity" und asoziale Finanzsysteme sind auch Grüne und Linke.



      www.finance-watch....-financial-system/

      Leider mit zu wenig Macht im EP ausgestattet, um das Ruder mal wirklich rumzureissen. Wäre also gut, diesen relativ kleinen Fraktionen mal mehr Macht herbeizuwählen. Stattdessen noch kleinere Kleinstparteien mit der vollmundigen Behauptung , dass sie mit 0 bis 1 Parlamentariern jetzt aber alles ganz doll ändern wollen? Nuja, wer's glaubt...

  • Wessen Aktionen von der Vierten Gewalt verschwiegen oder sehr stiefmütterlich behandelt werden, dem gelingt es nicht, die „Schwelle der öffentlichen Aufmerksamkeit zu überschreiten“. So einfach ist das manchmal.

    • @Volker Maerz:

      Betrifft aber nicht nur die Newcomerparteien. Die gesamte Berichterstattung zum EU-Wahlkampf - Parteien, Programminhalte, bisher geleistetes im EP - ist doch nicht vorhanden bis unterirdisch. Siehe auch "meistkommentiert" - Liste der taz: Europawahl in zwei Wochen, und deutsche Medien nebst Foristen diskutieren Nationalhymnen, Schnitzel, und altbackenen Kindergartensozialismus von den Jungspunden der Asozialdemokraten. Europadebatten? Fehlanzeige.