■ Aus polnischer Sicht: Europäische Gemeinheit
Sie fahren in ihren klapprigen Reisebussen durch das Westeuropa und wissen nicht, wie sehr sie die Einheimischen provozieren: ein Reiseunternehmen, das sich ausgerechnet „Trans-West“ nennt, weil das für die Polen international klingt, soll sie zu den Einkaufszielen in verschiedenen Ländern der ihnen nunmehr offenstehenden Europäischen Gemeinschaft kutschieren. Dort ergattern sie dann die ersehnten Junkfoodprodukte und elektronischen Ramschgadgets, um sie anschließend in Polen mit Gewinn zu verkaufen.
Osteuropa hat tatsächlich etwas von Transvestiten: Die alte Identität ist verloren, die neue der Möchtegern-Europäer noch nicht ganz angeeignet. Dieses erbärmliche Wesen kann nicht fruchtbar werden, muß sich stets für etwas anderes ausgeben als es ist. Die vollkommene Verwandlung gelingt ihm nicht.
Wie in Trance ziehen sie in den Westen. Die Probleme der Engländer, Italiener, Amerikaner, Deutschen nehmen sie gar nicht wahr oder betrachten sie als Lappalien im Vergleich mit den Schwierigkeiten zu Hause. Die einen erwarten hier ganz einfach den Frieden und das Überleben, die anderen träumen ihren „Go west young man!“-Traum von Freiheit und Wohlstand.
Recht haben die Goldberger Bürger (nomen est omen: Ungehoyerswerda, Rohstock, Goldberg): Es geht nicht, daß die Bundesrepublik immer neue Asylbewerber einläßt, solange sie mit den sechzehn Millionen Wirtschaftsflüchtlingen aus der DDR nicht fertig ist.
Daß die Ostdeutschen in ihrer Mehrheit keine politische Fahnenflucht begangen haben, beweisen immer wieder die Wahlen und das Klatschen – in ihrem Verhalten bleiben die meisten Ostdeutschen fern von der Demokratie. Sie glauben fest daran, daß ihnen die Metamorphose von Ost nach West gelungen ist. Dabei sind sie genauso bemitleidenswerte Trans-Westiten wie die anderen Osteuropäer. Piotr Olszowka
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