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Europäische FlüchtlingsverteilungQuoten, die niemand einhält

Beim EU-Gipfel geht es auch um die Verteilung Geflüchteter. Das wird schwierig. Ratspräsident Donald Tusk erklärt die Quote für gescheitert.

Donald Tusk hält die Verteilung von Flüchtlingen in den EU-Ländern für gescheitert Foto: dpa

Brüssel taz | Normalerweise genießt Donald Tusk die volle Rückendeckung der Kanzlerin. Schließlich war es Angela Merkel, die den liberalen Polen in das wichtige Amt des EU-Ratspräsidenten und Gipfelchefs gehoben hat. Doch nun steht er plötzlich allein im Regen. Eine Vorlage für den EU-Gipfel zur Flüchtlingspolitik hat Tusk isoliert. Darin hatte er die umstrittene Politik der Umverteilung von Asylsuchenden in der EU als wirkungslos bezeichnet und erklärt, Lösungen in der Migrationspolitik könnten nur die Staaten finden, nicht aber die EU-Zentrale in Brüssel.

Die bisherigen Quoten, die selbst Deutschland nicht erfüllt, seien „spalterisch und ineffizient“, hatte Tusk angemerkt. Im Grunde sprach er damit nur aus, was viele denken – nicht nur in Polen und Ungarn, sondern auch in vielen anderen EU-Ländern, die das Plansoll bei den Asylbewerbern immer noch nicht erfüllt haben.

Doch Merkel möchte neue Umverteilungsregeln. Offiziell geht es dabei darum, Griechenland und Italien zu entlasten. Künftig könnten aber auch andere EU-Staaten von Migrationsbewegungen betroffen sein, heißt es in Berliner Regierungskreisen. Außerdem sei Deutschland schon in Vorleistung gegangen.

Die EU-Kommission sieht das ähnlich. „Antieuropäisch“ sei Tusks Arbeitspapier, sagt der für Migration zuständige griechische Kommissar Dimitris Avramopoulos. „Entweder wir finden eine europäische Lösung für die Herausforderung durch Migration, oder es wird keine Lösung geben“, warnt Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.

Kommission will Umverteilung neu regeln

Die Brüsseler Behörde hat schon einen Vorschlag vorgelegt, der eine neue Umverteilung vorsieht, sobald bestimmte Kennzahlen von Neuankömmlingen überschritten werden. Allerdings haben es die Innen- und Justizminister der EU bisher nicht geschafft, sich auf eine Reform zu einigen. Vor allem Polen und Ungarn blockieren eine Lösung.

Nun soll sich der EU-Gipfel am Donnerstag mit dem Problem beschäftigen. Solidarität sei ein „essenzieller Bestandteil der Reform“, heißt es in Berlin. Man strebe zwar einen Konsens an. Zur Not könne man aber auch mit qualifizierter ­Mehrheit entscheiden – also über die Köpfe der Neinsager hinweg.

Parallel dazu bereitet der deutsche EU-Budgetkommissar Günther Oettinger (CDU) schon Pläne vor, die Verweigerer finanziell abzustrafen, zum Beispiel durch den Entzug von EU-Hilfen. Zudem hat die EU-Kommission wegen des Quotenstreits Klage vor dem höchsten EU-Gericht in Luxemburg eingereicht. Polen, Ungarn und Tschechien geraten so massiv unter Druck.

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7 Kommentare

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  • Tusk sagt doch nur, was jeder sieht, der nicht mit Scheuklappen durch die Gegend läuft. Der ganze Mechanismus funktioniert einfach nicht, und mit Zwang wird man erst Recht zu keiner Lösung kommen.

     

    Man kann die Haltung der Polen, Ungarn und Tschechen kritisieren, aber ihre Regierungen sind demokratisch legitmiert und vertreten die Mehrheitsmeinung der jeweiligen Bevölkerung.

     

    Abgesehen davon sind nicht die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten das Problem, deren Anzahl ist überschaubar. Es sind die illegalen Migranten, die aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Europa wollen, obwohl sie weder ein Asylgrund noch ein Arbeitsvisum haben. Statt diese an der Außengrenze eben zurückzuweisen (was JEDER Staat so handhabt und völlig vereinbar mit dem Völkerrecht und dem europäischen Recht ist!) lässt man diese Menschen speziell nach Deutschland rein, ohne dann zu wissen wie weiter verfahren werden soll.

     

    (Pfiffige werfen vorher noch ihren Pass weg, damit keine reguläre Abschiebung mehr möglich ist.)

     

    Wenn der Rechtsstaat an so einer Stelle komplett versagt, der darf sich nicht wundern wenn die Leute dann den (rechten) Protest wählen.

  • ...es schprt denb Verdacht, dass sich Tusk für eine politische Zukunft in Polen wieder ins Spiel bringen will. Einstimmigkeit würde Stillstand bedeuten, damit würden die europäischen Mittelmeer-Anrainer mit den Flüchtlingen allein lassen. Das allerdings ist ein Sprengsatz für die EU.

  • Warum sollten wir auch die "Flüchtlingsquote" ernster nehmen als z.B. No-Bail-Out-Klauseln auf die man geflissentlich scheisst wenn es einem nicht in den Kram passt.

  • Polen und Ungarn weigern sich also Hilfe für Menschen zu leisten und Solidarität gegenüber den anderen EU Mitgliedstaaten entgegen zu bringen. Damit verletzen sie die wichtigsten Grundrechte der Europäischen Union.

     

    Die Europäische Union stellt aber Person und Menschenwürde in den Mittelpunkt ihres Handelns. Das haben sowohl Polen als auch Ungarn unterschrieben. Somit müssen sie den eigenen Vertragsverpflichtungen nachgehen.

     

    Die Europäische Kommission muss das EU Recht gegenüber den einzelnen Mitgliedstaaten konsequenter durchsetzen und wenn nötig - härter vorgehen. Strafen und Sanktionen sind gute Lösungen. Mitgliedstaaten sind keine Einzelpersonen; die würden finanzielle Strafen überleben…

     

    Sonst wird entweder die ganze Union scheitern oder einige Mitgliedstaaten werden die Union verlassen müssen.

     

    In Zeiten, wo Rechtspopulismus wie eine Seuche die Gehirne vergiftet und viele Menschen einsteckt, muss die Union stark bleiben. Und die Union ist nicht nur Wirtschaftsunion. Sie ist kein Unternehmen, das nur an die eigenen Interessen und Gewinnmaximierung denkt.

     

    Die Herausforderungen dieses Jahrhunderts können und müssen gemeinsam gemeistert werden. Solidarität führt kein Weg vorbei.

     

    Die Ausübung der Rechte der Europäischen Union ist mit Verantwortlichkeiten und Pflichten sowohl gegenüber den Mitmenschen

    als auch gegenüber der menschlichen Gemeinschaft und den künftigen Generationen verbunden.

     

    Jedem Menschen, der Hilfe braucht, muss geholfen werden!

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Stefan Mustermann:

      "Polen und Ungarn weigern sich also Hilfe für Menschen zu leisten und Solidarität gegenüber den anderen EU Mitgliedstaaten entgegen zu bringen. Damit verletzen sie die wichtigsten Grundrechte der Europäischen Union. "

       

      Als Deutschland sich vor nicht allzu langer geweigert hat, da hat keiner von Verletzung der Grundwerte gesprochen. Jetzt aber den moralischen Zeigefinger erheben...

  • Der EU-Ratspräsident (!) sagt, dass die Quote gescheitert sei, damit legt er nahe, dass die EU gescheitert sei; aber viel eher ist er selber in seinem Amt gescheitert.

     

    EU Politiker sollten sich gründlich überlegen, ob ein Politiker wie Tusk, der die nationalen Interessen über die EU Interessen und Werte stellt, den Anforderungen an seine Position noch gerecht wird bzw. diesen überhaupt gewachsen ist.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...die Quote gescheitert? Was kommt jetzt? Noch mehr Geld, für den Sklavenmarkt in Libyen?!