Europa und die Türkei: Erdoğan droht mit Abschied von EU
Der türkischer Präsident will der EU ohne Fortschritte im Beitrittsprozess den Rücken kehren. Laut Sigmar Gabriel sei die EU „offen für neue Gespräche“.
Die Türkei sei nicht „der Lakai“ Europas, sagte Erdoğan. Die Beziehungen zu den EU-Staaten waren im Wahlkampf für das umstrittene Verfassungsreferendum vom 16. April auf einen Tiefpunkt gesunken, nachdem in Deutschland Auftritte türkischer Minister abgesagt worden waren. Er kündigte an, nach dem Volksentscheid das Verhältnis zur EU zu überprüfen. Erdoğan wirft dem Staatenbund regelmäßig vor, die Türkei seit einem halben Jahrhundert an seiner Tür warten zu lassen, und dringt auf Fortschritte im Beitrittsprozess.
Die EU verlangt dafür aber eine Rückkehr zum Reformkurs. Zuletzt mehrten sich bei den EU-Staaten zudem Forderungen nach einem Abbruch der Beitrittsgespräche, da diese angesichts der Aushöhlung von Demokratie, Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei nicht länger zu rechtfertigen seien.
Für Besorgnis sorgt in Europa das harte Vorgehen Erdoğans gegen seine Gegner sowie der Übergang zum Präsidialsystem, das laut der Opposition zu einer autoritären Ein-Mann-Herrschaft führen wird. Auch der Europarat warnt vor einer Aushöhlung von Demokratie, Bürgerrechten, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung durch den Systemwechsel.
Sigmar Gabriel beschwichtigt
Zwei Wochen nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum über das Präsidialsystem kehrte nun Erdoğan in die regierende AKP zurück. „Er kehrt ins Nest zurück, in die AKP, die er gegründet hat“, sagte AKP-Chef Binali Yildirim bei einer feierlichen Zeremonie in der Parteizentrale in Ankara, die live im Fernsehen übertragen wurde. Er kündigte an, dass Erdoğan bei einem Sonderparteitag am 21. Mai den Parteivorsitz übernehmen werde.
Außenminister Sigmar Gabriel hat angesichts der neuen Drohungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu den EU-Beitrittsgesprächen ein Ende von Ultimaten in der Krise mit der Türkei gefordert. „Ich kann nur raten, jetzt aufzuhören, sich gegenseitig Ultimaten zu stellen“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag am Rande seiner Afrikareise in Äthiopien.
„Der Weg der Türkei zur Europäischen Union ist klar beschrieben mit den Kriterien, die wir als Europäer haben“, sagte Gabriel. Was sich in letzter Zeit in der Türkei abgespielt habe, erfülle diese Kriterien nicht. „Wenn wir einen Neustart in den Bedingungen, den Beziehungen wollen, dann muss das von beiden Seiten ausgehen.“ Die EU sei offen für neue Gespräche, sagte Gabriel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad