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■ Europa muß sich von der amerikanischen Golfpolitik trennenRaus aus der Sackgasse

Hausarrest für Saddam und seine Handlanger. Das ist die Strafe des UN-Sicherheitsrates für die unartigen Männer in Bagdad. Der Beschluß aus New York wird dort sicher eine tiefe Bestürzung hervorrufen und die Tore der Waffendepots für amerikanische UN-Inspektoren sperrangelweit öffnen. Was aber, wenn sie zubleiben?

Clinton hätte genügend Cruise Missiles zur Verfügung, um jedes beliebige Ziel im Irak in Schutt und Asche zu legen. Er wird es hoffentlich dennoch nicht tun, weil der politische Schaden absehbar größer wäre als der militärische Erfolg. Damit sitzt die UNO gegenüber dem Irak mal wieder in der Sackgasse, in die US-amerikanische Politik sie bereits mehrmals seit dem Ende des Golfkriegs hineinmanövriert hat.

Es ist richtig und wichtig, daß die amerikanische Regierung bei der Durchsetzung der UNO-Resolution 687, die die komplette Abrüstung aller ABC- Waffen sowie Raketen größerer Reichweite vorsieht, keine Kompromisse macht. Saddam Hussein und seine Bath-Partei haben in der Vergangenheit bewiesen, daß sie beim Einsatz von Massenvernichtungswaffen nach innen und außen keine Skrupel haben – diese Waffen gehören dem Regime aus der Hand genommen. Das Problem ist, daß die USA sich nicht auf dieses Ziel beschränken und sich deshalb ständig in Widersprüche verstricken. Saddam Hussein soll zwar entwaffnet werden, aber doch nur soweit, daß er in der Lage bleibt, die ebenfalls bösen Mullahs in Teheran davon abzuhalten, außenpolitisch übermütig zu werden. Die Hoffnung, zwei ungeliebte Regime gegeneinander auszuspielen und damit matt setzen zu können, ist die Hauptursache für die politische Misere der Irak-Politik.

Das zweite amerikanische Ziel ist die Durchsetzung der Interessen Saudi-Arabaiens. Wenn irakisches Öl wieder ungehindert auf den Weltmarkt kommt, fallen die Preise und die Saudis kommen ernsthaft in Schwierigkeiten. Aus diesem Grund wird das Wirtschaftsembargo in aller Schärfe aufrechterhalten. Je länger das Wirtschaftsembargo gegen die irakische Bevölkerung aufrechterhalten wird, schließt diese sich um so enger dem Regime an. Nach allem, was man aus dem Irak weiß, wird Saddam in der Auseinandersetzung mit der UNO – was dort gleichbedeutend ist mit den USA – von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt.

Außenpolitisch gibt es in der Region eine Annährung zwischen Iran und Irak, und selbst das Verhältnis zu Syrien entspannt sich in dem Maße, wie sich die Fronten zwischen Syrien und Israel verhärten. Auch daran sind die USA nicht ganz unschuldig. Die Duldsamkeit gegenüber der friedensunwilligen Regierung Netanjahu im Kontrast zur Schärfe gegen Saddam schwächt die Position der Amerikaner im Nahen Osten insgesamt und führt letztlich mit dazu, daß Israel wieder isolierter und bedrohter ist, als in all den Jahren seit den ersten Friedensverhandlungen in Madrid. Gäbe es eine europäische Diplomatie, so wäre ihre Stunde spätestens jetzt gekommen. Weil im Nahen Osten nun einmal alles miteinander zusammenhängt, reicht es nicht, vereinzelte, von den USA abweichende Vorstöße zu machen.

Die Europäer müssen ein alternatives Konzept präsentieren. Dazu gehören mehrere Elemente. Gegenüber dem Irak kann man anbieten, Abrüstungsschritte mit einer schrittweisen Aufhebung des Wirtschaftsembargos zu belohnen und das Land so schrittweise aus der internationalen Isolation wieder herauszuholen. Seit der Wahl Chatamis im Iran sollte man bei der Veränderung des Landes sowieso lieber auf die iranische Bevölkerung als auf Saddam Hussein als den großen Widerpart der Mullahs setzen. Und wenn Europa im Nahen Osten glaubwürdig werden will, um im ureigensten Interesse mitzuhelfen, den Frieden in der Region zu sichern, darf man mit Netanjahu nicht gänzlich anders umgehen als mit anderen Kriegstreibern in der Region auch.

Die Alternative dazu ist früher oder später ein neuer Krieg. Und zwar dann, wenn es den USA, Israel und Europa, aktiv oder durch Unterlassungen, gelungen ist, genügend arabische Staaten zusammenzutreiben, damit die dann erneut glauben, mit militärischen Mitteln erfolgreich um Gerechtigkeit, Öl und Territorien kämpfen zu können. Jürgen Gottschlich

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