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Europa braucht dringend ein Back-up

Meta, Microsoft, Google. Im Digitalen sind die EU-Staaten abhängig von US-Unternehmen. Nun wollen sie gegensteuern

Die Kontrolle über Europas Daten liegt noch immer in amerikanischer Hand Foto: Jonathan Ernst/reuters

Von Svenja Bergt

Donald Trumps Regierung ist not amused. Da laden Deutschland und Frankreich die EU-Staaten zum 18. November zu einem Gipfel ein, Schwerpunkt: digitale Souveränität. Zwar wird im Vorfeld mit keinem Wort erwähnt, dass es die Abhängigkeit von den USA ist, die gerade zum Problem wird. Und natürlich gibt es auch andere Risiken, etwa was Rohstoffe aus China angeht. Doch angesichts der Themen des Gipfels – Cloud-Dienste, künstliche Intelligenz, Start-ups – ist eindeutig, welcher Elefant hier im Raum stehen wird.

Der US-Regierung ist das natürlich auch klar. Deshalb begannen US-amerikanische Di­plo­ma­t:in­nen laut einem Bericht von Politico bereits Wochen vor dem Gipfel, in Regierungskreisen herumzufragen, was denn da los sei.

Ein Hinweis fände sich beispielsweise in der Antwort auf eine Anfrage des damaligen Linken-Bundestagsabgeordne­ten Victor Perli von Anfang 2025. Demnach haben alleine Bundesministerien und zugehörige Behörden im vergangenen Jahr 204,5 Millionen Euro an Microsoft gezahlt. Ein Hinweis fände sich auch darin, dass auf rund drei Vierteln der Arbeitsplatzrechner in Deutschland Microsofts Betriebssystem Windows läuft und auf fast allen deutschen Smartphones Googles Android oder Apples iOS.

Donald Trump könnte, so die wachsende Befürchtung in Europa, die Tätigkeit der US-Konzerne hierzulande einschränken oder unterbinden. Zum Beispiel als Druckmittel im Zollkonflikt oder um eine laschere Regulierung für die größten IT-Unternehmen der Welt durchzusetzen. Gleichzeitig lobbyiert die Branche für den Erhalt ihrer Marktmacht. Laut den NGOs Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory gab die Tech-Industrie in der EU zuletzt 151 Millionen Euro im Jahr für Lobbyarbeit aus – ein Höchststand.

Die Ausgaben scheinen Wirkung zu zeigen. Die Dominanz der Big-Tech-Produkte bleibt unangetastet, selbst dort, wo es Alternativen gibt. Groß ist die Abhängigkeit zum Beispiel bei der Cloud-Infrastruktur. Diese nutzen Unternehmen, Behörden und Privatleute, die ihre Daten nicht lokal oder auf eigenen Servern speichern wollen. Zahlen der Analysefirma Synergy zufolge haben die US-amerikanischen Anbieter Amazon, Microsoft und Google dabei in Europa einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Was, wenn Trump, etwa mittels Exportkontrollen, hier eingreift? „Im Worst Case wäre die deutsche Verwaltung dann arbeitsunfähig“, sagt Michael Kolain. Der Jurist hat für das in Frankfurt am Main ansässige Cyberintelligence Institute eine Studie über die Abhängigkeit der Verwaltung erstellt.

Souveränitäts-Washing als Geschäftsmodell

Aus dem Dilemma ist ein Geschäftsfeld entstanden, das Kolain als „Souveränitäts-Washing“ kritisiert. Dabei tun sich ein US-amerikanischer Anbieter und eine europäische Firma zusammen und kreieren eine gemeinsame Cloud-Lösung. Sie soll souverän wirken. Doch käme es hart auf hart und der US-Konzern müsste sich zurückziehen, würden mindestens Updates ausbleiben, und die sind für den sicheren Betrieb von Software unerlässlich. Dazu kommt: Sobald ein US-Unternehmen oder dessen Tochtergesellschaft beteiligt ist, räumen sich US-Behörden und -Geheimdienste auf Basis verschiedener Rechtsgrundlagen Zugriff auf die Daten ein.

Dass es eher schlecht steht um die digitale Souveränität, ist auch der EU-Kommission aufgefallen. Gegensteuern will sie mit dem „EU Cloud and AI Development Act“. Das Gesetz soll unter anderem die Basis für eine sichere europäische Cloud-Infrastruktur sein. Ob die Clouds, denen Experte Kolain „Souveränitäts-Washing“ vorwirft, im Gesetz als souverän gelten werden, ist noch offen. Es dürfte einer der Punkte sein, für den die Tech-Konzerne in den kommenden Monaten lobbyieren werden. Denn über europäische Kooperationspartner werden auch ihre Interessen vertreten sein.

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