piwik no script img

■ Europa beschließt Verhandlungen über einen Beitritt ZypernsBrüssel spielt auf Zeit

Noch ein Affront gegen die Türkei? Ende dieses Monats beginnen die Verhandlungen über einen Beitritt Zyperns zur Europäischen Union – gegen den ausdrücklichen Willen Ankaras und der türkischen Zyprioten. Ein wirtschaftlich wenig bedeutender Kleinstaat, dazu noch politisch geteilt und militärisch hochgerüstet, soll auf den speziellen Wunsch Griechenlands Mitglied im europäischen Club werden. Die mächtige Türkei dagegen darf nicht mitspielen. So stellt sich diese Entscheidung zumindest für die Türkei dar.

Deshalb wird der Zypern-Beschluß das Verhältnis zwischen der Türkei und der Europäischen Union weiter belasten. Die türkische Besetzung Nordzyperns wird in Zukunft in einem Satz mit Menschenrechtsverletzungen und der Kurdenfrage auftauchen. Die Politiker in Ankara werden einen Grund mehr finden, um Europa des Panhellenismus und der Türkenfeindschaft zu bezichtigen. Die EU wird einen Grund mehr finden, um der Türkei jegliche Europa- Tauglichkeit abzusprechen.

Einerseits. Andererseits hat die EU mit dem Beschluß gezeigt, daß sie an Prinzipien festhält. Den griechischen Zyprioten die EU-Gespräche zu verweigern, nur weil die zyperntürkische Führung wider aller Vernunft an den Verhandlungen partout nicht teilnehmen will, hieße, der Türkei ein Vetorecht zuzubilligen.

Die Republik Zypern verfügt über exzellente Wirtschaftsdaten. Die wesentlich ärmeren türkischen Zyprioten im Norden könnten von einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union nur profitieren – ihre Ablehnung ist vom großen Bruder in Ankara diktiert. Nicht anders zu interpretieren ist auch die türkische Drohung, im Falle von Verhandlungen der Europäischen Union mit den griechischen Zyprioten den Norden der Insel noch enger an Ankara zu binden.

Wenn die Europäer ihren Beschluß allerdings wirklich ernst nehmen, dann müssen sie jetzt dafür Sorge tragen, daß der Zypern-Konflikt einer Lösung nähergebracht wird. Wie das aber gegen den Willen der Türkei bewerkstelligt werden soll, wissen nur die griechischen Götter.

Eine Aufnahme der geteilten Insel in die EU scheint ausgeschlossen – noch einen Krisenherd mag man sich in Brüssel nicht ans Bein binden. Deshalb enden hier die europäischen Prinzipien. Verhandeln heißt schließlich nicht beitreten. Verhandlungen können dauern, sehr lange dauern – wenn es sein muß, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Klaus Hillenbrand

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen