piwik no script img

EurokolumneEZB-Miese? Kein Problem!

Jens Berger
Kolumne
von Jens Berger

Verlust ist nicht immer Verlust: Warum soll Präsident Mario Draghi mit der Europäischen Zentralbank nicht mal kräftig Miese machen dürfen?

Manches muss man sich genauer angucken: so auch die EZB-Verluste. Bild: reuters

M anchmal erfordern große Probleme unkonventionelle Lösungen. Die Eurokrise ist zweifelsohne ein sehr großes Problem, auf das bislang jedoch nur mit 08/15-Lösungsversuchen reagiert wurde. Deren Versagen kann im mittlerweile vierten Eurokrisenjahr nicht mehr ernsthaft abgestritten werden. Progressivere – und damit auch unkonventionelle – Lösungsansätze beinhalten meist eine aktivere Rolle der Europäischen Zentralbank, zum Beispiel Bonds oder die Übernahme der Milliardenforderungen aus den Rettungsschirmen.

Dabei ist es unvermeidlich, dass die EZB nicht nur Risiken eingeht, sondern auch Verluste einfährt. Und die, so warnen konservative Ökonomen wie Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, müssen letzten Endes vom Steuerzahler ausgeglichen werden? Dass dies falsch ist, zeigt eine jüngst von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik veröffentlichte Untersuchung des Linken-Abgeordneten und Ökonomen Axel Troost.

Verlust ist nämlich nicht immer gleich Verlust. Zentralbanken unterscheiden sich in zahlreichen grundlegenden Punkten von „normalen“ Banken: Sie können beispielsweise nie in der eigenen Währung zahlungsunfähig werden, da sie ja selbst Geld „erschaffen können“.

Zentralbanken haben auch kein klassisches Eigenkapital, das im Falle von Verlusten ausgeglichen werden müsste. Die EZB ist eine Anstalt europäischen Rechts, an der die nationalen Zentralbanken des Eurosystems beteiligt sind – und symbolisch auch deren Eigenkapital halten. Anders als bei normalen Banken und Konzernen ist es bei einer Zentralbank nicht nötig, dass ein „positives Eigenkapital“ vorhanden ist. EZB und Bundesbank könnten problemlos auch mit einem „negativen Eigenkapital“ ihre Aufgaben wahrnehmen, wie Troost eindrucksvoll belegt.

Bedeutet ein Minus den Weltuntergang?

Anders als die Rettungsschirme EFSF und ESM könnte die EZB also hohe Verluste erleiden, ohne dass dies den Steuerzahler einen einzigen Cent kostet. Für neoliberale Ökonomen ist diese Vorstellung jedoch gleichbedeutend mit dem Weltuntergang. Dies würde doch zu „Inflation“ führen.

Das ist lustig, da selbst nach der – falschen – monetaristischen Vorstellung, nach der Inflation durch ein Anwachsen der Geldmenge ausgelöst wird, es hierbei gar nicht zu einer Inflation kommen kann. Das Geld ist schließlich längst im Kreislauf und würde erst bei einer Rückzahlung der Schulden wieder vernichtet. Wer darauf pocht, dass die Schulden ordnungsgemäß bedient werden, pocht geldpolitisch betrachtet vielmehr darauf, Geld zu vernichten. Nach – falscher – monetaristischer Lesart führt dies zu einer Deflation. Das können auch marktkonforme Ökonomen ja nicht ernsthaft wollen – oder?

Mehr noch – die EZB könnte sogar rein theoretisch alle Staatsschulden übernehmen und damit nach eigenem Gusto verfahren. Sie könnte sie abschreiben, was zu einem negativen Eigenkapital führen würde, oder ein Schuldenmoratorium verhängen und alle Papiere zinslos bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in den Bilanzen führen. Die vermeintliche Staatsschuldenkrise wäre auf einen Schlag gelöst.

Ob das „erlaubt“ ist? Das EZB-Statut wurde der Politik ja nicht in Stein gemeißelt auf dem Berge Sinai übergeben. Es kann – wie andere völkerrechtliche Verträge – per politische Mehrheit an die sich ändernden Realitäten angepasst werden. Derzeit werden unkonventionelle Lösungen noch nicht mal angedacht.

Dies könnte sich ändern, wenn sich die Eurokrise weiter verschärft. Dann muss die Politik die Frage beantworten, ob sie Europa sehenden Auges in den Untergang steuern – oder vielleicht nicht doch lieber zu unkonventionellen Lösungen greifen will.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • WM
    Wilfried Müller

    Eigentlich sollten auch Ökonomen wissen, dass Wirtschaft nur funktionieren kann, wenn alle wirtschaftlich relevanten Angelegenheiten gesetzlich geregelt sind. Und diese Gesetze werden von der Politik gemacht;wenn sie ihren Zweck nicht erreichen, dann müssen sie von der Politik modifiziert oder kassiert werden. Das gilt natürlich auch für den rechtlich zugestandenen Rahmen der EZB. Geld ist nun mal ein staatliches Konstrukt ohne eigenen Wert. Ein Staat mit eigener Währung hat nie Schwierigkeiten bei der Finanzierung seiner Ausgaben und Aufgaben, wenn er sich nicht in fremder Währung verschuldet; als Herausgeber dieser Währung durch die staatliche Institution Zentralbank ist er im Prinzip nicht einmal auf Einnahmen durch Steuern, Anleihen oder Abgaben angewiesen, diese dienen politischen Zielen wie der Korrektur von Marktergebnissen, der Beeinflussung der Wirtschaftsabläufe etc. Wenn der Staat Aufträge mit dem Geld der Zentralbank bezahlt, z. B. für Investitionen, dann landet das Geld im Privatsektor, in der Realwirtschaft bildet sich Staatsvermögen. Forderungen an den Staat nach Zinsen oder Rückzahlung von Schulden gibt es nicht, es handelt sich um den umgekehrten Fall von Privatisierung von Staatsvermögen; dabei wandert das Geld vom Privatsektor an den Staat zurück, kann formal auch an die Zentralbank zurückgegeben werden. Das alles kann Ökonomen seit Jahrzehnten bekannt sein, wenn sie sich informieren wollen. Diese Sicht ist gewöhnungsbedürftig und sollte diskutiert werden.

    PS: Private debt is a debt, but government debt is financial wealth to the private sector (jedenfalls bei Exporte minus Importe = 0; R. Wray, einer der Pioniere von MMT)

  • M
    M.A.

    Selten so eine schlechten Artikel (ja ja, Kolumne) in der TAZ gelesen.

    Peinlich das so etwas veröffentlich wird.

    Noch schlimmer sind aber Leser, die derartigen Schund akzeptieren, ja so gar noch danach verlangen. Von derartigen Lesern hat aber die TAZ eine Menge, die ihr Überleben sichert. Noch.

    • B
      blb
      @M.A.:

      interessante argumente haben Sie da.

  • U
    umk

    Meine Meinung: EZB-Schulden sind, wie bundesdeutsche Schulden oder wie US-Schulden problematisch. Es bedeutet, das mehr Geld ausgegeben, als eingenommen wird. Schuldenmachen: Ich möchte nicht, dass das ein(e) AnderEr unbegrenzt darf, wenn ich es selbst nicht darf.

    Ich hätte an dieser Stelle lieber einen Artikel über (Um-)Verteilung.

  • Wenn ein Staat Schulden am Markt macht, so entnimmt er Geld dem Geldkreislauf und gibt es selber wieder aus und führt es ihm daher wieder zu. Die Geldmenge wird dadurch nicht beeinträchtigt.

    Übernimmt die EZB die Schulden eines Staates ohne gleichzeitig anderweitig die Geldmenge zu reduzieren, so erhöht die EZB die Geldmenge.

    Die Annahmen von Herrn Berger stimmen also nur, wenn die Staaten bei der EZB direkt Geld leihen. Dies ist daher aus gutem Grund auch verboten.

    Aktuell gibt es eine massive Inflation bei den Vermögenswerten und Anlagegütern und eine Preisstabilität bei den Gütern des täglichen Bedarfs. Die offiziellen Zahlen messen nur letzteres.

    Diese Scheere der Inflationszahlen liegt daran, dass Reichtum nicht konsumiert sondern angelegt wird während die Geldmenge, die der breiten Bevölkerung zur Verfügung steht in der Tat nicht wächst sondern eher schrumpft.