Euro-Rettungsschirm für Portugal: Das Kartenhaus wackelt
Nach Irland flüchtet nun auch Portugal unter den Euro-Rettungsschirm. Doch die damit verbundenen Sparauflagen sorgen für Streit. Neue Turbulenzen drohen.
BRÜSSEL taz | Die Eurozone gleicht immer mehr einem Kartenhaus. Nach Irland will sich nun auch Portugal unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Bis zu 80 Milliarden Euro könnte das ärmste westeuropäische Land brauchen, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Die EU hat bereits Hilfe zugesagt - doch die damit verbundenen Sparauflagen sorgen für Streit. Zugleich wächst in Brüssel die Sorge, dass auch Spanien in den Sog der Krise gezogen werden könnte.
Die EU-Kommission gab sich am Donnerstag gelassen. Der mit 250 Milliarden Euro dotierte Euro-Rettungsschirm sei "voll einsatzfähig", man warte nur noch auf das offizielle Hilfsgesuch Portugals, sagte der Sprecher von EU-Finanzkommissar Olli Rehn. Danach werde man mit der portugiesischen Regierung verhandeln, um ein "Anpassungsprogramm" auszuarbeiten. "Wir haben keinerlei Druck ausgeübt", so der Sprecher. "Wir sind solidarisch, alles läuft nach Plan."
Doch genau das sorgt für Unmut in Lissabon. Denn zum einen sieht der europäische Rettungsplan, der beim letzten EU-Gipfel Ende März auf Druck der deutschen Bundesregierung beschlossen wurde, eine "strikte Konditionalität" für Finanzhilfen vor. Zu den Bedingungen gehören striktes Sparen, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, die Einfrierung der Renten, Umstrukturierungen und Privatisierungen. Die Umsetzung wird von der EU und vom IWF überprüft, jede Abweichung bestraft.
Zum anderen gibt es in Lissabon keine funktionierende Regierung mehr. Premierminister José Sócrates war kurz vor dem EU-Gipfel zurückgetreten, weil er ein - auch schon von Brüssel verordnetes - Sparprogramm nicht durchsetzen konnte. Seither steht er einer Übergangsregierung vor. Ob er noch die Macht, das Recht und vor allem die demokratische Legitimation hat, ein neues Sparprogramm aufzulegen, ist umstritten. Die Gewerkschaften haben bereits Proteste angekündigt. Wenn Sócrates bei den Neuwahlen im Juni verliert, müsste das Sparpaket neu verhandelt werden.
Sócrates hatte bis zuletzt versucht, den Offenbarungseid abzuwenden und den Portugiesen ein EU-Diktat zu ersparen. "Doch nun sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir diese Entscheidung treffen mussten, um das Land nicht in Gefahr zu bringen", sagte er. Den letzten Ausschlag hatte die Ankündigung portugiesischer Banken gegeben, künftig keine Staatsanleihen mehr zu kaufen. Zuvor hatten die Ratingagenturen die Bonität das Landes herabgestuft und so dessen Refinanzierungskosten massiv erhöht.
Die EU-Hilfe ist nun nicht etwa dazu gedacht, Portugal vor weiteren spekulativen Attacken zu schützen. Vielmehr gehe es darum, dem Land zu helfen, "das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen", sagte Rehns Sprecher. In den beiden Präzedenzfällen Irland und Griechenland - das schon vor der Einrichtung des Rettungsschirms Hilfszusagen von EU und IWF bekommen hatte - ist dies bisher allerdings nicht gelungen. Im Gegenteil: In Griechenland hat sich die Krise in den letzten Wochen derart verschärft, dass nun schon von einer Umschuldung gesprochen wird. In der EU-Kommission wird angeblich schon an konkreten Plänen gearbeitet.
In Brüssel wäre man daher schon froh, wenn sich die Krise eingrenzen und sich eine "Ansteckung" anderer Länder wie Spanien vermeiden ließe.
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