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Euro-Opfer im Knast

■ Weil es nur zehn Euro gab, blieb mancher Knacki hinter Gittern / Wer am ersten Werktag nach der Währungsumstellung Freigang hatte, kam ohne Proviant nicht weit

Reibungslose Umstellung auf Euro? Nicht überall. In der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen jedenfalls forderte noch der zweite Tag nach der Währungsumstellung Opfer. „Mir haben sie gesagt, die Kasse geht heute nicht. Nur zehn Euro sollte ich kriegen. Damit kann ich doch die Mietkaution nicht zahlen“, schimpfte Erik Joens*. Schon vor drei Wochen hatte der Mann, der im März entlassen werden soll, seinen Ausgang für den ersten Werktag im neuen Jahr beantragt – und bewilligt bekommen. Inklusive der Zusage, man werde ihm 500 Mark Eigengeld auszahlen, das in der zentralen Kasse liegt. Doch dann machte das EDV-System kurzweilig die Grätsche – und so blieb Joens hinter Gittern. Ebenso ein weiterer Gefangener. Kein Gang zur Straffälligenhilfe und zum künftigen Vermieter.

„Es gab Probleme mit dem Update“, heißt es vollzugsintern. Die Konten aller Bremer Justizvollzugsanstalten mussten elektronisch umgestellt werden. Von Mark auf Euro. Stundenlang. Derweil griff der Schichtleiter in seine Notfallkasse, damit die beantragten Ausgänge in Oslebs nicht schon am fehlenden Bahnticket scheiterten. 13 von 15 betroffenen Gefangenen ließen sich darauf ein.

Wer größere Beträge brauchte, hatte Pech. Man könne schließlich kein Geld herausgeben, ohne direkt vorher am Computer zu prüfen, ob der Betreffende überhaupt genug auf dem Konto habe, heißt es aus Beamtensicht. Und: „Diese Ausgänge waren eigentlich alle Ausnahmen.“ Denn die zuständige EDV-Abteilung der Justiz-Dienstleistungsgesellschaft Judit habe darauf aufmerksam gemacht, dass am ersten offiziellen Euro-Werktag lieber niemand das Haus verlassen sollte. Jedenfalls nicht, wenn er auf Geld aus der Zentralkasse angewiesen sei. Doch habe es ein Dilemma gegeben: Denn am 29. Dezember konnten die Gefangenen an ihre Konten kommen, um einzukaufen. In Mark. Deswegen sei die Umstellung auf Euro danach erfolgt. Nun gebe es wegen der Probleme bei der Geldauszahlung Klagen. Aber die hätte es auch gegeben, wenn die Gefangenen vor Silvester ohne Einkauf geblieben wären.

Während Gefangene tatsächlich brummeln „sowas darf doch nicht passieren“ und Bewährungshelfer einfühlsam äußern „das ist bitter“ – denn die wenigen Tage Ausgang im Gefangenenleben haben großen Wert –, muss die Mitarbeiterin von der Straffälligenhilfe über das Kassendebakel doch lachen. Ungläubig sagt sie: „Sowas haben wir ja noch nie gehört.“ Sie hoffe aber, dem betroffenen wohnungssuchenden Häftling noch vor seiner Entlassung helfen zu können.

Von der Justizbehörde war noch keine Erklärung zum Euromangel zu erhalten. „In der Behörde sind heute früh alle gleich nach Hause gegangen. Da ist die Heizung kaputt“, lacht man im Knast. ede

*Name geändert

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