piwik no script img

Euro-Krise"Mehr Kontrolle der Banken"

Allein kann Griechenland sein Defizit nicht abtragen, die Banken sollen helfen. Thierry Philipponat von "Finance Watch" reicht das nicht: Banken müssen ihr Spekulationsgeschäft abstoßen, fordert er.

Banken in Frankfurt am Main. Bild: dpa
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Philipponat, Griechenland versinkt in Schulden. Ist ein drastischer Schuldenschnitt unausweichlich?

Thierry Philipponat: Ja. Es ist einfach eine ökonomische Tatsache, dass Griechenland sein Defizit allein nicht abtragen kann.

Dann wären aber viele Banken pleite, weil ihr Eigenkapital nicht ausreicht, um die Verluste in Griechenland aufzufangen.

Thierry Philipponat

50, ist Generalsekretär von Finance Watch. Zuvor war er Investmentbanker und seit 2006 bei Amnesty.

Deswegen müssen die Banken ihr Eigenkapital deutlich erhöhen. Das ist übrigens keine Zumutung an die Banken. Sie behaupten zwar gern, dass Eigenkapital teurer wäre als Fremdkapital. Aber das stimmt nicht! Sehen Sie sich den Markt doch an. Kurzfristig leihen sich die Banken gar kein Geld mehr - und langfristig müssen sie enorme Risikoaufschläge zahlen. Da ist Eigenkapital auch nicht teurer.

Aber die Banken könnten doch einen anderen Trick anwenden: Statt neue Aktien auszugeben, könnten sie einfach weniger Darlehen an die Wirtschaft vergeben. Dann steigt die Eigenkapitalquote ebenfalls. Droht eine Kreditklemme?

Es ist eine ganz große Gefahr, dass die kleinen und mittleren Firmen keinen Kredit mehr erhalten. Deswegen muss die Aufsicht unbedingt überwachen, welche Geschäfte die Banken zurückfahren. Schon jetzt machen Firmenkredite nur einen kleinen Teil des Geschäfts der Banken aus. Stattdessen handeln die Institute vor allem mit Wertpapieren und Derivaten. Dieses spekulative Handelsgeschäft müssen die Banken abstoßen - kontrolliert von der Aufsicht.

Sie haben ja schon einen entsprechenden offenen Brief geschrieben, der unter anderem an Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy ging. Gab es eine Reaktion?

Bisher hat keine Regierung geantwortet.

Die Banken argumentieren, dass es gefährlich wäre, das Handelsgeschäft mit Wertpapieren und Derivaten zu stark zu regulieren - weil es dann zu den Schattenbanken abwandern würde.

Die Schattenbanken würde es gar nicht geben, wenn sie nicht von den großen Banken finanziert würden. Die Deutsche Bank, zum Beispiel, ist einer der wichtigsten "prime broker" für die Hedgefonds. Und JP Morgan Chase besitzt mit "Highbridge" gleich selbst einen der weltweit größten Hedgefonds. Jede Großbank betreibt auch Schattengeschäfte.

Die Regierungschefs beraten nicht nur über die Banken, sondern auch über eine weitere Ausweitung des Rettungsschirms. Wird damit die Eurokrise eingedämmt?

Das kauft nur Zeit. Wenn man 100 Euro in der Tasche hat, dann werden es nicht mehr, nur weil man sagt, es wären 200 Euro.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • D
    Didi

    Werter Leser,

    wenn ich jetzt und hier behaupte, dass die Banken zum größten Teil an vergangenen und der aktuellen Wirtschaftskrise die Schuld tragen und dies ohne Reaktionen seitens der Regierung auch auf folgende Wirtschaftskrisen zutreffen wird, so behaupte ich wohl nichts Neues.

    Da aber doch die Regierungen, also das Volk auch über das Volkskapital bestimmen sollte und das Volk nicht vom Kapital regiert werden soll, habe ich bei dem weltweiten Netzwerk Avaaz eine Petition erstellt, welche bei Erfolg, also bei ausreichend Zeichnern der Bundesregierung vorgelegt wird.

    Diese Petition soll die Regierung dazu veranlassen, das die Banken wenn nötig, voll und ganz unter Kontrolle gestellt werden. Riskospekulationen müssen verboten werden und die Banken müssen wieder zu den Aufgaben zurückkehren, für die sie eigentlich geschaffen sind.

    - sicheres Aufbewahren von Bürgers Spargeldern, so das diese auch im Falle eines Konkurses sicher sind

    - Verwalten der Hypotheken von Bürgers Wohneigentum

    - Vergabe von sicheren Darlehen

    - Bereitstellungen von Finanzmitteln für die Wirtschaft (Ausnahme: Riskokredite)

    Man könnte die Liste noch erweitern.

     

    Um also die Banken wieder auf den Weg der Tugend zurückzubringen, sind eine lückenlose Kontrolle und knallharte Vorgaben nötig.

    Diese Petition ist dazu gedacht, die Regierung mit Hilfe der Stimme des Bürgers zu derartigen Maßnahmen zu bringen.

    Bitte zeichnet hier:

    http://www.avaaz.org/de/petition/Starkere_Kontrolle_der_Banken/?cNTRTcb

  • G
    guntherkummerlande

    Thierry Philipponat hat hier wirklich

    ein wahres und längst überfälliges Statement

    formuliert.

    Wie dumm kann man sein, wenn man Ihn ignoriert.

    Sie haben meine volle Zustimmung.

    Alles Gute weiterhin und geben Sie in Ihren

    Bemühungen NICHT nach.

     

    Dennoch bitte weiterlesen:

     

    Das Derivategeschäft kann auf Dauer nur funktionieren, wenn wir immer weitere

    virtuelle Schuldenverwertungsgesellschaften

    aufbauen und diese Gesellschaften quasi im zeitlich Unendlichen liquidieren.

     

    Wehe der Prozess ist vorangeschritten

    und man möchte diese Schulden durch herkömmliche

    Maßnahmen, wie Schuldentilgung und Inflation

    abbauen. Dann kommt die Wohlstandskatastrophe.

     

    Das Hauptproblem, was hier nicht verstanden worden ist, ist folgendes:

     

    Die Investoren bekommen von den Staaten

    verbrecherisch günstige Garantieoptionen für ihre

    Risikogeschäfte ohne volkswirtschaftliche,

    konkrete Investitionen.

     

    Der Anteil des Geldvolumens durch die Schuldenstrategien steigt immens.

    Nur dadurch weil die Reichen ihr Geld zusammenhalten,

    kommt es nicht zur massiven Inflation.

     

    Brechen die Staaten mangels Liquidität zusammen,

    übernehmen die wenigen verbliebenen Reichen

    die Macht und autoritäre Regime werden wahrscheinlich entstehen, wenn nicht eine Teilenteignung

    der Reichen betrieben wird, was meist

    wie in Afrika in Apartheid, Menschenrechtsverletzungen und Diktaturen enden kann.

     

    Vernichtet man die Schulden, vernichtet man

    das Kapital der Investoren, dann sinkt

    auch das Potential für große Investitionen

    und zivilisatorische Fortschritte.

     

    Mein Tipp: Man sollte reichen Bürgern

    und Versicherern, Banken und Unternehmen und

    möglicherweise allen am Kapitalmarkt

    die Auszahlung ihrer Gläubigerguthaben

    durch die Gewinnbeteiligung am gesellschaftlichen

    Fortschritt entlohnen.

     

    Wenn also die Reichen in die Ausweitung

    von Forschungs-und Lehrkappazitäten investieren,

    dürfen Sie ein Prozent des Gehaltes der

    Studienabsolventen für 10 Jahre an Renditeabschöpfung

    erwarten.

     

    Wenn stark Medikamentenkosten durch verbesserte

    Operationen eingespart werden konnten, dann

    dürfen die Investoren in Operationsforschungsprojekte

    die 2% der Einsparungssumme als Rendite

    für 10 Jahre ausgezahlt bekommen. ... usw.

     

    FORTSCHRITT IST DIE EINZIGE, WIRKLICH

    WERTBESTÄNDIGSTE GARANTIE.

     

    Es stimmt nicht das der Spekulant per se ein

    übles Schwein ist.

    Dem Staat fehlte es bisher aber an Kreativität

    interessante und ethisch einwandfreie

    Finanzprodukte anzubieten.

    Und das ist einer der Hauptprobleme.

    Diese Produkte dürfen nur die Verbesserung objektiver

    staatlicher Performanceparameter, der

    dem Staat unterstellten Verantwortungsbereiche sein.

    Diese müssen unmittelbar das Leben der Bürger

    verbessern.

    Würden solche Angebote in diesem Stil von

    staatlicher Seite her gewährt und auch als

    exclusive Schuldentauschalternative

    eingeführt(Staatsanleihen der Gläubiger können

    in Performanceverbesserungsaktien der staatlichen

    Institutionen(Schulen, Unis,Krankenhäuser, Militär,

    Erziehungseinrichtungen, Haftanstalten(Therapieplätze für Gefangene-Gewinnbeteiligung

    durch eingesparte Unterhaltskosten

    von rückfälligen Mehrfachstraftätern) umgetauscht werden),

    dann würden die

    realen, wirtschaftlichen Probleme sich deutlich minimieren lassen.

  • PT
    Peter Tiemann

    So schlimm kann es doch eigentlich gar nicht kommen. Die Banken haben in Ihren Bilanzen mit Sicherheit bereits Abwertungen vorgenommen. Die Steuern auf diese Abwertungen haben wir Steuerzahler doch schon bezahlt bzw. werden wir in Kürze bezahlen. Wenn dann noch andere Institutionen Teile der Verluste übernehmen, halten sich die "Banker" doch fast schadlos und können "heiter weiter" ihren dubiosen - für den Otto-Normal-Verbraucher nicht nachvollziehbaren - Geschäften nachgehen.

     

    Die gesamte Krise kann nur durch eine Reform des Bankenrechts verbunden mit einer wirksamen Aufsicht auch der "staatlichen Rechnungswesen" überwunden werden.

  • F
    Frage

    Das hört sich alles ganz vernünftig an, Frau Herrmann. Warum haben Sie Ihren Interviewpartner eigentlich nicht gefragt, was er von Ihrer Wunschvorstellung des beliebigen Gelddruckens (EZB erhält freie Hand zum Kaufen beliebiger Staatsanleihen) hält?