EuGH und WLAN-Störerhaftung: Kein Passwort? Kein Problem
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs spricht sich für den besseren Schutz von WLAN-Betreibern aus. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.
Der Gerichtshof ist an die Position nicht gebunden, schließt sich ihr aber in den meisten Fällen an. „Folgt der EuGH den Schlussanträgen, bedeutet das, dass Privatpersonen und Geschäftsleute, die nicht hauptberuflich Internetzugänge anbieten, diese ohne Passwortschutz öffnen dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen“, sagt der auf IT-Recht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke.
Das Verfahren geht zurück auf einen Fall aus dem Jahr 2010. Damals bekam der Unternehmer Tobias McFadden eine Abmahnung vom Musikkonzern Sony. Der warf McFadden vor, dass über seinen Internetanschluss Musik auf eine Tauschbörse hochgeladen worden sei. McFadden betrieb damals ein unverschlüsseltes WLAN in seinem Büro – als Werbemaßnahme für potenzielle Kunden. Das Landgericht München legte den Fall dem EuGH vor.
Der Generalanwalt sagt nun: Wer Daten nur durchleitet – und genau das ist bei einem WLAN in der Regel der Fall –, der haftet nicht für Rechtsverletzungen, die Dritte über dieses Netz begehen. Und er geht noch darüber hinaus: Auch Auflagen, wie etwa ein verpflichtendes Passwort, das Nutzer benötigen, um sich in das Netz einzuwählen, hält er für problematisch. Denn solche Hürden würden das Recht zur freien Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit einschränken. So schreibt Szpunar in dem Antrag: „Umfassender gesehen bin ich der Ansicht, dass eine Verallgemeinerung der Verpflichtung, WLAN-Netze zum Schutz von Urheberrechten im Internet zu sichern, für die Gesellschaft insgesamt von Nachteil sein könnte.“
Folgt der EuGH?
Von einer „wichtigen Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa“, spricht Volker Tripp vom Verein Digitale Gesellschaft. Lina Ehrig vom Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert: „Wir hinken in Deutschland total hinterher.“ Zahlen des Verbands Eco von Ende 2014 zufolge kommen hierzulande weniger als zwei offene Drahtlosnetzwerke auf 10.000 Einwohner. In Schweden sind es knapp 10, in Großbritannien fast 30.
Folgt der EuGH der Auffassung des Generalanwalts, wird das nicht nur für die Betreiber von offenen WLAN-Netzen Auswirkungen haben, sondern auch auf die Gesetzgebung. Denn im Parlament liegt derzeit ein Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, in dem es auch um WLAN-Hotspots geht. Während Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stets erklärte, dass damit der Betrieb vereinfacht und die Zahl der offenen Netze erhöht werden sollte, gehen Juristen und Verbraucherschützer vom Gegenteil aus. Das geplante Gesetz verursache nicht nur mehr technischen Aufwand für Anbieter von offenen Netzen, sondern enthalte auch viele schwammige Formulierungen, die für Rechtsunsicherheit sorgen würden.
Das Kabinett verabschiedete den Entwurf bereits im vergangenen Herbst, zuletzt erntete er auf einer Anhörung im Dezember deutliche Kritik. Beobachter gehen daher davon aus, dass die Bundesregierung vor einer Verabschiedung im Parlament das EuGH-Urteil abwarten will. Das wird vermutlich in einigen Monaten fallen.
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