EuGH über Regenbogenfamilien: Urteil stärkt queere Familien
Der Europäische Gerichtshof bekräftigt die Rechte von gleichgeschlechtlichen Elternteilen. Verbände sprechen von einem richtungsweisenden Urteil.
„Die Entscheidung ist für Regenbogenfamilien europaweit von Bedeutung“, sagte die Rechtsanwältin Gabriela Lünsmann vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. „Ein ähnlicher Fall könnte auch in Deutschland auftreten.“ Der europäische Dachverband der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexorganisationen Ilga sprach von einem richtungsweisenden Urteil.
Konkret geht es um zwei verheiratete Frauen, eine Bulgarin und eine Britin, die in Spanien leben und dort eine Tochter bekommen haben. In der spanischen Geburtsurkunde werden beide Frauen als Mütter des Kindes aufgeführt. Doch die bulgarischen Behörden lehnten einen Antrag für eine bulgarische Geburtsurkunde des Mädchens ab, und wollten wissen, wer die leibliche Mutter sei. Die Angabe zweier Elternteile weiblichen Geschlechts laufe der öffentlichen Ordnung des Landes zuwider.
Ohne bulgarische Geburtsurkunde bekommt das Mädchen jedoch keinen bulgarischen Personalausweis oder Reisepass und kann sich somit nicht frei in der EU bewegen. Seine Rechte als EU-Bürger wären eingeschränkt.
Da das Mädchen die spanische Staatsbürgerschaft nicht bekommen konnte, drohte die Staatenlosigkeit. Dem Verband Ilga zufolge kann das Mädchen Spanien ohne Dokumente nicht verlassen, zudem ist sein Zugang zu Bildung oder medizinischer Versorgung eingeschränkt. Die Mutter mit bulgarischer Nationalität klagte gegen die Entscheidung. Das zuständige Gericht rief den EuGH an und ging davon aus, dass das Kind die bulgarische Staatsangehörigkeit hat.
Ähnlicher Fall in Deutschland möglich
Der EuGH entschied nun, dass Bulgarien dazu verpflichtet ist, dem Mädchen einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, ohne zuvor eine Geburtsurkunde der eigenen Behörden zu verlangen. Bulgarien und auch die anderen EU-Staaten müssten die spanische Geburtsurkunde anerkennen.
Rechtsanwältin Lünsmann betonte, das Urteil zwinge Bulgarien nicht dazu, gleichgeschlechtliche Elternschaft anzuerkennen, aber es müsse die spanische Geburtsurkunde anerkennen. Auch in anderen EU-Ländern wie Polen oder Ungarn werde die gleichgeschlechtliche Ehe nicht akzeptiert.
In Deutschland dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten, doch Lünsmann zufolge, die Fachanwältin für Familienrecht ist, könnte ein ähnlicher Fall hier dennoch auftreten. „Nach deutschen Recht gilt nur die leibliche Mutter als Mutter. Die andere Mutter müsste das Kind adoptieren.“ Sollte das Paar in einem ähnlich gelagerten Fall also nicht angeben, wer die leibliche Mutter ist, würden die deutschen Behörden keine Geburtsurkunde und somit auch keinen Pass ausstellen.
Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP möchte das jedoch ändern. In ihrem Koalitionsvertrag heißt es: „Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Man wolle dafür eintreten, „dass Regenbogenfamilien und in der EU geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen/Lebenspartnerschaften in allen Mitgliedsstaaten mit allen Rechtsfolgen anerkannt werden“.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Problem bereits benannt. Die CDU-Politikerin sagte im September 2020, sie werde sich für die gegenseitige Anerkennung familiärer Beziehungen in der EU einsetzen. „Wenn Sie in einem Land Vater oder Mutter sind, sind Sie in jedem Land Vater oder Mutter.“
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