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EuGH erlaubt Handel mit altem SaatgutSenioren-Samen dürfen wachsen

Nach einem Urteil des EU-Gerichtshofes dürfen europäische Bauern Saatgut aus alten, nicht zugelassenen Pflanzensorten herstellen und vertreiben. Zuvor hatte ein industrieller Hersteller geklagt.

Auch über altem Saatgut darf in Europa die Sonne scheinen, findet der EuGH. Bild: kallejipp/photocase.com

LUXEMBURG afp/dpa | Europas Bauern dürfen selbst Saatgut aus alten, amtlich nicht zugelassenen Pflanzensorten herstellen und vermarkten. Die umstrittene EU-Richtlinie verbiete dies nicht, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Donnerstag verkündeten Urteil (Rechtssache C-59/11).

Im konkreten Fall ging es um eine Klage des industriellen Saatgut-Herstellers Graines Baumaux gegen das in Frankreich entstandene bäuerliche Saatgut-Netzwerk Kokopelli. Das Netzwerk hatte Saatgut von mehr als 461 Sorten im Angebot, die nicht in offiziellen Sortenkatalogen eingetragen waren. Der industrielle Saatgut-Hersteller hatte auf 50.000 Euro Schadenersatz geklagt.

Nach der Saatgutrichtlinie der Europäischen Union müssten im Normalfall alle Sorten, die in den Handel kommen, in einem teuren Verfahren zugelassen und in einem amtlichen Register eingetragen werden. Bäuerliche Saatgut-Netzwerke, wie die im Ausgangsfall beklagte Initiative Kokopelli erfüllen diese Voraussetzungen für die Zulassung ihrer alten Sorten zwar nicht.

Doch der Verkauf dieser Sorten werde von der umstrittenen Richtlinie nicht ausgeschlossen, heißt es im Urteil. Die Entscheidung des europäischen Gerichtshofes ist von großer Bedeutung für Verbraucher, Landwirte und Agrarindustrie. Sie stärkt insbesondere die Rechte von Ökobauern.

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3 Kommentare

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  • T
    tweb

    Die deutsche Berichterstattung zu diesem Urteil ist voellig irrefuehrend. Das EuGH hat die bestehende Gestzgebung bestaetigt. D.h. auch Erhaltungssorten muessen in einem vereinfachten Verfahren zugelassen werden (ohne detailierte technische Pruefung). Ich empfehle die Lektuere von Artikel 4 der Richtlinie 2009/145/EG. Eine solche Regelung dient ganz klar dem Verbraucherschutz. Auch ein Hobbygaertner soll sicher sein, dass die Sorte, die auf der Packung steht, auch tatsaechlich existiert und auch drin ist.

  • E
    Eike

    Warum braucht es dazu eine Gerichtsentscheidung? Eigentlich müssten unsere Politiker die traditionelle Bauern vor der Macht der Konzerne beschützen.

  • W
    Waage

    ups, hier haben wir es mit einem verdammt grundlegenden Urteil zu tun.

     

    Da haben sich auf den ersten Blick nur einige Biobauern quergestellt, das Urteil hat aber auch für die konventionelle Landwirtschaft Bedeutung.

     

    Das Gericht sollte auch mal überprüfen, ob es statthaft ist, dass die Bauern "Nachbau(straf)gebühren" an die Saatguttreuhand bezahlen müssen wenn sie eigenes Getreide "nachbauen".

     

    Der Nachbau ist ja eh ein absolutes Ärgernis für die Industrie. Hybridsorten sind ja auch schon nur ein Jahr nachbaufähig. Bei wiederholtem Nachbau geht der Ertrag rasant in den Keller.

    Aber das eine Jahr nutzen die Bauern, so dass sie eine Hälfte eigenes Getreide wieder aussähen (wofür sie Nachbaugebühr bezahlen) und eine Hälfte neues Saatgut zukaufen.

     

    Das reicht der gewinnmaximierenden Industrie aber nicht, leben und lebenlassen ist nicht ihr Ding.

    Eine große Motivation für die "grüne" Gentechnik ist daher absolut "nachbausicheres" Getreide zu entwickeln.