Essay über Lachen: Das Narrenschiff geht niemals unter
Warum lachen die anderen? Und wir? Erwägungen anlässlich einiger recht bekannter Präzedenzfälle. Eine Vorbereitung auf die Karnevalssaison.
In einer frühen Radio- und Filmszene, „Die Büttenrede“, lässt Gerhard Polt einen von ihm selbst gespielten Faschingsprinzen Erwin Wurster auftreten, der im häuslichen Schlafzimmer und im Schlafanzug für die „lieben Närrinnen und Narren“ des nächsten, des morgigen Auftritts Witze, Pointen und Reime ausprobiert. Erwin, vom schon fortgeschrittenen Fasching und seinen eigenen Prinzeneinsätzen und Alkoholschäden offenbar vollkommen geschlaucht, memoriert dabei lauter schon extrem törichte und dabei wie tödlich ermüdete Zwei- und Vierzeiler:
„Wir lassen‘s heut besonders krachen,
Wir bringen heute was zum Lachen,
Für alle, die da unten hocken,
Wenn‘s kracht, dann bleibt kein Auge trocken.“
Erwin, immer verzweifelter, auch wohl noch schwer verkatert, gibt gleichwohl nicht auf, memoriert tapfer weitere Verse wie:
„Alaaf, hellau, alaaf, hellau,
Der Schnaps schmeckt uns auch ohne Frau“
– allerdings dann auch:
geboren 1941, denkt bereits ein Autorenleben lang über das Lachen nach. Mit solchen Legenden der Hochkomik wie Robert Gernhardt und F. W. Bernstein war er Mitglied der Neuen Frankfurter Schule, vor allem in der Titanic tätig. Seine „Trilogie des laufenden Schwachsinns“ – vor allem der erste Band „Die Vollidioten“ (1973) – zählt zu den Klassikern der deutschen Gegenwartsliteratur. Lesen sollte man auch „Maria Schnee – eine Idylle“.
„Der Schnaps schmeckt jetzt auch meiner Frau“
– denn siehe:
„Und is‘ die Alte endlich voll,
Dann wird der Abend doch noch toll.“
Denn schließlich und immer trostloser:
„Das Narrenschiff geht niemals unter,
Wir bleiben heiter, froh und munter.“
Erwin übt nicht nur und testet dirigierend neue Überraschungsvarianten samt Tusch und „Dadaa-dadaa“-Nachhall – er weiß auch schon den erwünschten Effekt: „Da wieherns’ dann, die Leute“, und, nach dem nächsten besonders erbärmlichen Witz: „Tusch – und da lachens‘ dann wieder.“
Erwin Wurster hat völlig recht, und aus Erfahrung praktisch schon alles fertig programmiert. Der Film und die keineswegs eingespielten Lacher bei Polts Bühnenvorführungen beweisen es: Das Publikum lacht wie ein Lachautomat. Nur: ist trotzdem nie so ganz klar, wieso, warum sie lachen.
Trotz der nicht mehr überbietbaren dummen Verse – oder gerade ihretwegen? Wegen der durchaus virtuosen Torheit inklusive Polts unnachahmlich clownesker, nahezu tragischtrauriger Vortragsweise und Miene? Die den Menschen im Publikum Erinnerungen an ähnliche wirkliche Faschingstrübsale weckt? Man möchte das zweite annehmen, aber sicher kann man da nie sein. Sie lachen, offenhörbar auch bei Polt, jenseits jeden Niveaus, jeden Sinns. Sie? Zumindest viele.
Noch unklarer ist die analoge Sache bei dem sehr poltverwandten Jahrhundertkomiker Heino Jaeger. Bei einem speziell bunten Rezitationsabend in Saarbrücken ca. 1970 bringt Jaeger in der noch heute als CD erhaltenen Fünf-Minuten-Nummer „Der Conferencier“nicht nur circa alle branchentypischen Blödigkeiten auf den ihrerseits wunderbar komischen Punkt; sondern auch den ab ovo schön konstruierten, aber halt leider steinalten Witz: „Wenn die Frauen verblühen, verduften die Männer!“
Wie von Jaeger auch ganz bestimmt erwartet, kräht das große Publikum auf, und als der Conferencier sich für den einfältigen Beifall bedankt, auch dafür, er habe den Witz hier ja eigentlich schon mal vor zehn Jahren gemacht, dankt ihm nochmals entschlossenes Lachen.
Virtuose Frechheit
Ähnlich wie bei Polt ist schlechterdings ununterscheidbar, über was sie lachen: über den altbackenen Witz? Oder über die virtuose Frechheit, ihn hier – parodierend – nochmals zu präsentieren? Oder gar über die Metapointe, dass sie sich da sauber haben hereinlegen lassen? In dubio pro reo? Nein. Nein, hier herrschte wohl überwiegend größtmögliche Geistesabsenz im Verein mit der im Lachfach üblichen ohnehinnigen Kopf- und Gemütsträgheit.
Und über die dürfen wir Wachen nun unsererseits wiederum lachen? Lachen, man weiß es aus zehntausend wissenschaftlichen oder mehr intuitiven Beobachtungen, hat außer der spirituellen auch eine stark physisch-mechanische Valenz: Der Mensch will einfach lachen. Will einfach, vom Überdruck, von den Kalamitäten des bösen Lebens weg einmal lachen. Einmal? Manchmal? Wie ein Lachsack praktisch immerzu? Wachheit beim Lachen ist offenbar nur das – spätere? – Gegen- und Komplementärprinzip.
Die Lachautomatik ist nicht unbedingt etwas Dummes und gar Böses. Sondern entspricht unserer genuinen, unserer primären physischen Natur; im Sinne eines archaischen, eines noch heute wirksamen Atavismus. So wie (da sind sich die Human-Archäologen wohl einig) das lachende Zähnezeigen ursprünglich etwas wie Aggression, symbolischen Kampf signalisierte – so zeigt sich das Polt-Jaeger‘sche Gelächter als hemmungsbefreiendes Vorrecht, Recht auf ein Gehenlassen inmitten aller Lebenszwänge.
Das Lachen, so Robert Gernhardt in mehreren Studien und Selbstbeobachtungen, kenne im Grunde kein ästhetisches Gesetz, finde statt jenseits von „Niveau“. Das Niveau ist quasi erst später als Sonderfall, durch die Deutung des Witzes, hinzugekommen.
Sofern man Komik und ihre Qualität dabei nicht nach älteren Professorenbüchern und jüngeren Literaturpreisen, sondern nach Mehrheitsentscheidungen bemisst, dann sind Lautstärke und Erwartet/Unerwartetheit des pluralen Gelächters die zuständigen Beweisstücke. Und praktisch nur in Liveaufnahmen wie bei Polt und Jaeger sind die Befunde nachzuprüfen. Als Autor, als Rezitator eigener und häufig komisch angelegter Texte, macht man immerhin seine eigenen Erfahrungen. Manchmal wird überraschend gelacht, manchmal ziemlich unverständlicherweise nicht.
Rätselhafte Publikumslachgeräusche
Rätsel auferlegten mir von Beginn an die vernehmlichen oder ausbleibenden Publikumslachgeräusche bei Lesungen des Beginns meiner Erzählung „Franz Kafka verfilmt seinen ‚Landarzt‘“. Kaum hörbare Reaktionen hat es bei der Passage vom werbenden Gewäsch der filmenden Lehrer, Kafka möge, dürfe, ja solle auch „noch ein wenig am Drehbuch mit herumfeilen“: Diese, den betrüblichen Zeitgeist der Branche wie der 70er Jahre auf den ordinären Punkt bringenden Dummreden evozieren offenbar ebenso wenig Lachen wie der Lehrer sinnlos-impertinentes Gequalle, die „Landarzt“-Erzählung „dränge, ja schreie geradezu nach Verfilmung“ – eine ihrerseits schreiende und wohl heute noch kurrente Feuilletonphrase.
Allerdings müsse dann, so das Lehrer-Filmer-Trio, in Süditalien „die Schneesymbolik“ des Textes logisch „adäquat durch unheimlich Hitze, also praktisch Tropen“ ersetzt werden, und außerdem könne man dabei auch „erstklassig Urlaub machen“: Hier, inmitten eines Schwalls auch anderweitiger Anachronismen, schwant ca. 33 Prozent der Zuhörerschaft, kenntlich durch Kichergeräusche, etwas von der sogar leicht deprimierenden Komik zeitgenössischen Vulgärdenkens und -benehmens.
Auch dass die Lehrer, weit jenseits von Kafka, besonders hastig und doppelt unglaubwürdig von Orson Welles und Louis Malle „die neue Sinnlichkeit“ für ihr Machwerk adaptieren möchten. Diese schon übermäßig inadäquate blöde Rederei wird ihrerseits von meinem Auditorium lachend akzeptiert; auch, dass Kafka „à la Hitchcock eine kleine Rolle übernehmen“ solle, erfährt immer als Quittung hörbares Gelächter.
In der Summe: dürfte sich das, was den Hörern/Lesern an lauter oder leiser Lachhaftigkeit einleuchtet und was nicht, ziemlich genau auf 50:50 hinbewegen. Und einigermaßen unbegreiflich bleiben.
Und wiederum ratlos machen.
Anarchistische Tabubrüche
Lachen gründet in mehr oder weniger anarchistischen Tabubrüchen und ähnlichen Regelverstößen, Verstößen gegen soziales wie ästhetisches Benehmen. Zu dem Befund kommen auch andere Theoretiker – Robert Gernhardt hat sich darüber hinaus immer wieder auch brütende Gedanken gemacht über die Konsequenz dessen – etwa im Sinne eines „wertvollen Lachens“ oder eines minderen; das „wertvolle“ vor allem in Gestalt eines „im Halse stecken bleibenden“; das wir hiermit, auch wenn es nichts nützt, schnellstens vergessen wollen, es war wohl nie mehr als eine beharrliche Chimäre und Edeldenkerphrase.
Bei Gernhardts Gedichtrezitationen sind bzw. waren selten sichere Lacher zu prognostizieren, Lachkontinuitäten zu registrieren; am sichersten noch beim bekannten Zweizeiler „Die schärfsten Kritiker der Elche / Waren früher selber welche“; der aber recht eigentlich gar nicht von ihm ist, sondern, im Teamwork entstanden, von seinem früheren Partner-Alterego F. W. Bernstein; und der vielleicht in der Erstversion doch noch genauer und lachhafter ist:
„Die schärfsten Kritiker der Elche /Werden später selber welche.“
Beide Varianten erfreuen gut hörbar durch den Erkenntniswert von Wiedererkennung eigener Erfahrungen und durch die schlagende Ironie, durch eine Art Schock. Verblüffender, eigentlich unverhofft, das fast immer unisono funktionierende Gelächter bei Loriots seinerseits verblüffendem Statement, ein Leben ohne Mops sei „möglich, aber sinnlos“ – denn eigentlich denken weder Hundefeinde ja so philosophisch; noch Mopsfreunde in aller Regel so theologisch delikat.
Publikumslacher in der Oper sind selten, in der sogenannten komischen Oper sogar am seltensten. Eine gar nicht so wichtige Stelle aber, ausgerechnet inmitten aller Wagner‘schen Musikdramen-Gewichtigkeit, bei der Kraft einer kleinen Pause der Text auch sehr deutlich hervortritt, hat dann doch Erfolg: Wenn im 1. Akt der „Meistersinger von Nürnberg“ seitwärts des Merkers Beckmesser der Ritter Walter von Stolzing sich zu einer Art Probe- und Vorentscheidungssingen recht unwillig und nur der angezielten Braut zuliebe sich im „Singestuhl“ niederlässt und kurz vor seinem Auftakt-Ausbruch „Fanget an!“ vom Tabulaturchef Kothner darin bestätigt wird: „Der Sänger sitzt!“ – dann ist von der Bayreuther Festspielbühne über die Nürnberger Staatsoper bis in die New York Met und vermutbar sogar bis in die russische Provinzbühne allzeit und unverbrüchlich das nämlich dankbar-verständige und mittellaute Lachen aus dem Parkett zu vernehmen, will quasi sagen: Wenn wir schon von Wagners Musikdramen-Ästhetik, von seinem motivverzweigten Notengespinsten nichts Genaues verstehen – dass der aufgewühlte und etwas konsternierte Tenor jetzt zum Sitzen kommt, das überzeugt auch uns, beruhigt uns nicht minder als die zulauschenden Nürnberger Singschul-Meister.
Weniger einheitlich, sondern nur von Kennern mit manchmal zart hörbarem Kleingegacker quittiert wird die Szene im 2. „Siegfried“-Akt des gleichen Komponisten: Des im nächtlichen Wald lagernden und den Nibelungenhort hütenden Lindwurm Fanfers brummiges „Ich lieg‘ und besitz: lasst mich schlafen!“ Der tiefe Brummbass wird zudem untermalt von allerlei noch brummigeren Orchesterfarben und finster verschlafenen Harmonien – vielleicht kommt aber ja die Komik dieser halb-tierischen Rede zu feingesponnen daher, eigentlich das ganze riesige 14-Stunden-Werk erklärend und zusammenraffend, als dass man bei einem überwiegend doch wenig kundigen 1.000- oder 2.000-Personen-Publikum sinnige, erkenntnissignalisierende Reaktion, also eiliges Begreifen erwarten dürfte. Insgesamt hat es im „Ring des Nibelungen“ der oftmals gewaltige Wortkomiker Wagner ja bis zum heutigen Tag schwerer als der Kompositeur, der Welterlöser durch Musik, der Töne-Magier.
Mehr unfreiwillige, von Wagner kaum gewollte Komik entfacht im 3. Aufzug von „Tristan und Isolde“ der traurige König Marke mit seiner albern, trübseligen, zudem mehrfach variierten Bilanz „Tot denn alles! Alles tot?“
Aber – über was dürfte ein waches Publikum da eigentlich auflachen? Über Markes, über Wagners schwindende Kräfte? Und wann genau sollte es da das Lachen sich trauen?
Wiedererkennungsticket
Wer es als Wortkünstler, als Komiker zu einer Art Wiedererkennungsticket gebracht hat, der tut sich mit dem zuverlässigen Lachen überhaupt leichter als in aller Regel der subtile Bastler und Stricker und Filigranist. Ein abermals nürnbergaffiner Mann, der Humorist Herbert Hiesel, hatte in seiner Glanzzeit, den Fünfziger-/ Sechziger Jahren, den alle Zeit sicheren Trumpf in der Tasche und im schwerst fränkelnden Mund mit einem die jeweiligen Sketche eröffnenden oder intermezzohaft dazwischen gepferchten „Jou werkli!“ – meint: Ja wirklich, es ist so, wie ich es sage. Damit waren die Herzen und die zum Lachen sich aufreißenden Mäuler seiner oft riesigen, 5.000 oder 10.000 zählenden Zuhörer und kreischenden -innen auch schon gewonnen. Manche Nummern, man kann das auf alten Platten nachprüfen, bestanden beinahe ausschließlich aus diesem „Jou werkli“-Ticket.
Wiedererkennendes Lachen als kollektives Heimatgefühl, als Schutz- und Trutzbündnis: Noch einen winzigen Schritt weiter ging kurz nach Kriegsende hierin die bayerische Volkshumoristin und als solche durchaus könnerische Vulgärkrachnudel Kathi Prechtl, wenn sie jeden Bühnen- oder Funkauftritt mit den scharf herausgekrähten und schon gelachten Worten „ja varreck!“ begann – ja verrecke, gemeint war ein im Grunde ins Edeldeutsche Unübertragbares, am ehesten entsprechend dem „Goddam“ oder auch „Fuck“.
„Ja varreck!“ – mit diesem Start hatte das etwas undefinierbare Lebewesen Kathi ihr aufs Stichwort lauerndes Publikum bereits restlos vereinnahmt, in den Himmel eines paradiesischen Niedrigkeitselysiums spediert – im Rahmen eines Monologs, den der Verlag heute noch als „Kostbarkeit“ verscherbelt; in Wahrheit handelt es sich um eine Epiphanie an Lärm und „Quatsch: „Ja varreck!“
Eine Epiphanie, ein Aphrodisiakum für ein Publikum, das, ärger noch als Kathi, nur noch hingegossen, ja wie besessen lachen, krähen wollte. Vielleicht ein durchaus plausibler Regress zum Beginn der Menschheit, zu den frühestens Initaialzündungen des Lachens, des Humoristischen; als es galt, die leidergottes erfolgte Austreibung aus dem Paradies durch ein Äquivalent an Lust und insofern wieder Gottnähe zu kompensieren.
Abermals: Humor als Heimat.
Und: ein sehr frühes Bekenntnis zum „Stahlbad fun“ (Horkheimer/Adorno, Kulturindustrie, bereits 1944!), die etwas geistesverlassene Gemütslava ohne jegliche Selbstzensur; im theoretischen Verbund mit der alten Sigmund Freudschen Spekulation, Lachen bedeute „Ersparung des Hemmungs- und Unterdrückungsaufwands“; die vor einem runden Jahrhundert niedergeschriebene „Lust“ gegen den „Triebverzicht“ durch „unsere sogenannte Kultur“.
In mehreren der Theorien hat das Lachen ja fast immer mit Überdruck, mit Eruption und Explosion unter jenem, zu tun. Bei neueren Exemplaren fällt es zuweilen schwer, an dieses landläufige Metaphernschema zu glauben. Gelächter erfolgt da wohl oft, einzeln und in der Masse, aus schierer zerebraler Abwesenheit, ausgelöst durch irgendein Stichwort meist sexueller oder fäkalischer Herkunft; manchmal durch die sich selbst erfüllende Lach- und Ablachhoffnung voller Unverstand. Wobei das lachende Publikum etwa Polts naturgemäß ein etwas anderes und informierteres sein sollte als das von Kathi Prechtl – oder auch nicht.
Bei Heino Jaegers wohl sehr gemischtem Publikum schien vorm und beim Lachen, wie bei vielen seiner Figuren und speziell den Radioreportern, eine Art Somnabulismus zu obwalten, ein vitales Dauerdösen, eine alles überlagernde Schläfrigkeit. Die aber ihrerseits doch den pünktlichen Lacheinsatz garantiert. Mitzuhören ist quasi eine, wenn man so will, universelle Freundlichkeit durch dick und dünn. Als Ausdruck wiederum von durchaus anarchischer Gesinnungs- und Gefühlsautonomie.
Humor, man weiß es von Bierbaum, ist ja, wenn man trotzdem lacht.
Aber, um der Gerechtigkeit willen: Es gibt auch Jaeger-Nummern mit Publikumsecho, bei denen das Gelächter erstaunlich präzis, pünktlich, gerecht, sogar dynamisch adäquat auftritt. Werweiß gibt es ja auch zweierlei Publikum; eins aus Connaisseuren und Fans – und eins aus bloß menschenähnlichen Lachmaschinen.
Alle habhaften Theorien ein bisschen schnöd zusammengerafft, bleibt wohl nicht viel mehr, als dass Komik und in der Folge Lachen freudvolle Wirkung hat, eine wenn auch schwer, ja kaum definierbare „Lust“ zeitigt. Ist Lachen am Ende so etwas wie ein bedingter Pawlowscher Reflex wie der bei den hungrigen Hunden beobachtete? Wobei allerdings nur der „Reflex“ klar wäre, das Lachen – nicht aber die „Bedingtheit“. Die Qualität des Witzes ist es offenbar nicht, eher schon das vorbildhafte Lachen des Sitznachbarn.
Zerebrale Abwesenheit
Aber nochmals: Warum lache die Leute, auch und vor allem dann, wenn inmitten eines meist geplärrten Wortinfernos bei TV-Comedians die Witze zum Weinen sind? Man darf da, an dieser Schnittstelle des Weltensinns, wohl Immanuel Kants sehr alte „Anthropologie“ zur Deutung heranziehen: „Beide, das Lachen und das Weinen, heitern auf.“ Ja dann.
Und heitern wird wohl auch der Lärm an sich. Bei Gerhard Polt, in einer schon bejahrteren Soloszene, wäre zumindest ein Spezialfall zu bedenken. Ein halb sympathischer, halb etwas depperter Raisonneur eventuell in Lederhosen, ein südbayerischer und ein bisschen wohl auch poltähnlicher Landsmann, steht auf einer entsprechenden Wiese, inmitten einer gebirglich romantisch-idyllischen Landschaft und plappert scheint‘s harmvoll-harmlos und Einverständnis erheischend vor sich hin; ehe es plötzlich, fast blitzschlagartig zur Quintessenz und Pointe kommt dergestalt: In so einer speziell bayerischen Traumlandschaft habe doch, seien wir mal ehrlich, „ein Neger“ nichts zu suchen, „passe einfach nicht rein“.
Das Publikumslachen kommt wohl immer auch blitzartig, eruptiv, ungehemmt. Und das zu Recht. Denn natürlich hat das Gerede ebensowenig mit Rassismus zu tun wie mit rechtspopulistischer Akklamationsanbiederung. Was durch die Vernunft und Zivilitätskultur eigentlich zurückgewiesen und beweint werden müsste, darf einmal, hier und jetzt (und dann vielleicht nie mehr), sich Raum und Hall verschaffen. Die altgewohnten Grenzen der politischen Korrektheit erbarmungslos überspringen. Auch und gerade dann, wenn nachweislich keiner im Publikum was gegen „Neger“ hat. Wäre es anders, und hockten im Publikum erahnbar lauter Nazis und Volldeppen, dann sähe es auch für Polt wieder etwas anders aus.
Oftmals, ja fast immer, dankt sich Komik, schuldet sich kollektives Lachen der möglichst plötzlichen Fallhöhe. In abermals Gerhard Polts vom ersten bis zum letzten Satz inspirierten Zehn-Minuten-Monologszene „Der Weber Max“ berichtet gegen Ende ein stark südbayerischer Gemeinderat und Webermax-Kollege von einem „Symposion“ dieser recht seltsamen und übermäßig durstigen Parlamentarier bei der Regierung von Oberbayern, wo es im Zuge von „Gesprächen auf höchstem Niveau“ hinsichtlich des einladenden und vielleicht allzu fürsorglichen Regierungspräsidenten auch bald zur gemeinderätlichen Anerkennung kommt: „Ein gebildeter Mann – leck mich am Arsch!“
Besser kann man es wirklich nicht sagen, und wiederum zurecht erfolgt hier immer massives Gelächter. Abermals aus einem ebenso willkommenen wie produktiven Tabubruch heraus. Spitzenpolitik, zumal bayerische, auch wenn sie sich „auf höchstem Niveau“ bewegt, wird immer auch etwas von der Assoziation einer irgendwie Rundlichen, Gemüthaften, Harmonischen, ja Arschigen, beleckt. Die Frage bleibt freilich im Raum stehen, warum man das gleiche nicht auch zum Beispiel beim Ableben des Bundespräsidenten, ja eines Marktler Papstes sagen darf. In dieser ja nun sogar stark anerkennenden, fast ehrfürchtigen Formulierung nicht einmal der Gerhard Polt.
Noch weitere und stark bohrende Fragen? Ja, eine. Die, warum sie eigentlich zum Lachen den Auflauf, den Aufwand des Auflaufs, nötig haben. Abermals aus Gewohnheit, Gedankenlosigkeit, ja atavistischem Aberglauben? Haben sie denn jenseits der Veranstaltungen mit Hiesel oder Hildebrandt oder sei‘s mit Polt sonst gar nichts zu lachen? Zu Hause oder auf der Kreissparkasse? Lachen sie sonst nie? Nicht einmal auf – ihrer Beerdigung?
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