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Es wird sehr eng um Silvio Berlusconi

■ Italiens Regierungschef ruft Minister und Manager zur Krisensitzung in sein Haus

Düstere Wolken über dem Imperium von Regierungschef Silvio Berlusconi: Eine Woche, nachdem sein Versuch zur „Sanierung“ korrupter Politiker und Manager schmählich in einer Flut von Protest-Faxen und empörten Anrufen untergegangen ist, braut sich juristische Unbill über dem Firmenkomplex des Mailänder Medienherrschers zusammen. In mehreren Fällen behaupten nicht mehr nur die Staatsanwälte Bestechung von Finanzbeamten – die betreffenden Manager und Buchhalter sind mittlerweile auch geständig. Sie hatten kräftig geschmiert, wenn es, wie sich einer der Verhafteten ausdrückte, „um Beschleunigungen von Überprüfungen und ,sanfte‘ Behandlung der Akten“ ging. Am vergangenen Sonntag hat Berlusconi in seinem Mailänder Wohnsitz Arcore eine Krisensitzung abgehalten – und damit erneute Irritationen bei der Presse und mittlerweile zunehmend auch schon wieder im Fax-Volk ausgelöst. An der Sitzung haben hohe Manager der Berlusconi-Superholding Fininvest teilgenommen – und mehrere Minister der Regierung.

Dabei waren Verteidigungsminister Cesare Previtti und der Staatssekretär im Ministerpräsidentenamt, Gianni Letta. Der erste war bis zur Regierungsbildung Chefanwalt des Konzerns, der zweite Generalmanager der Fernsehkanäle. Eine „Vermischung von Privat- und Regierungsinteressen“, monierte empört die Leitung der Ligen, die mit in der Regierung sitzen, „die wieder einmal zeigt, wie notwendig eine einschlägige Gesetzgebung wäre, die derlei verhindert“. Auch die Neofaschisten, immer auf ihr neues Saubermann- und Moralistenimage bedacht, befinden den Vorgang als „zumindest befremdlich“.

Einige Zeitungen behaupten schlichtweg, daß „der Mann offenbar nun völlig kopflos geworden“ sei. Nicht ohne Grund. Berlusconi steht mächtig unter Druck – nach dem Scheitern seines „Gauner- Rettungs-Dekrets“ (wie der Erlaß zur Freilassung inhaftierter Schmiergeldempfänger und -geber im Volksmund bereits heißt) drohen frühere politische Freunde mit brisanten Enthüllungen.

Allen voran der ehemalige Regierungschef und Generalsekretär der Sozialistischen Partei, Bettino Craxi, der auf der Flucht vor Haftbefehlen im tunesischen Hammamet lebt. Ihm nämlich steht gleichermaßen das Wasser bis zum Hals – elf Jahre Gefängnis hat für ihn soeben der Staatsanwalt im Verfahren um ein Schmiergeldkonto namens „Protezione“ (Schutz) in der Schweiz gefordert. Dessen Einrichtung hatte der Chef der illegalen umstürzlerischen Geheimloge „Propaganda 2“, Licio Gelli (der sieben Jahre bekam) besorgt. Auch der ehemalige Sozialisten-Vize Claudio Martelli speit Gift und Galle, soll er doch ebenfalls für zehn Jahre hinter Gitter – und das vorwiegend wegen allzu langer Nibelungentreue zu seinem Chef und dessen Hinterleuten, wozu er auch Berlusconi zählt – der seinerseits Mitglied der Loge Propaganda 2 war.

Vergebens die Versuche der Regierung, alles als „Rache der Staatsanwälte“ wegen des Freilassungsdekrets abzutun – selbst Mitglieder der Regierungskoalition lehnen derlei Insinuationen schon allein deshalb ab, weil wegen Bestechungsvorgängen schon seit Jahren ermittelt wird. Auch die Behauptung, die Gerichte wollten die gesamte Unternehmerklasse treffen, zieht nicht – gerade eben wurde der Generalmanager von Fiat und einer seiner Firmenleiter von der Anklage der Bestechung freigesprochen.

Werner Raith

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