: Es wird Ernst
■ Flügelstreit in der SPD-Fraktion: Chef Christier droht mit Rücktritt
Wenn sich heute mittag der Fraktionsvorstand der SPD trifft, gibt es einiges vermutlich lautstark zu klären. Vor allem das Schicksal von Fraktionschef Holger Christier. Sein Rücktritt steht im Raum, der von einer Mauer des Schweigens umgeben ist. Offiziell möchte sich niemand zu dem Thema äußern, am allerwenigsten die Hauptakteure selbst. Auch hinter vorgehaltener Hand mögen nicht viele über „diese geheime Kommandosache“ raunen, wie sie ein prominenter Parteirechter einstuft: „Wir haben verabredet, den Mund zu halten.“
Anlass ist ein Flügelstreit über eine Personalie: Die Abgeordnete Britta Ernst soll nach dem Willen der Fraktionslinken neue Parlamentarische Geschäftsführerin und damit Nachfolgerin von Dorothee Stapelfeldt werden, die vor zwei Wochen auf den Sessel der Bürgerschaftspräsidentin gewechselt ist. Christier, Vormann des rechten Flügels, aber will die Altonaerin nicht akzeptieren, die am Donnerstag vom „Övelgönner Kreis“, dem Küchenkabinett der Linken, nominiert wurde.
Diese erheben den Anspruch, den machtpolitisch wichtigen Pos-ten erneut mit einer der ihren zu besetzen. Dass „die Sache hart“ werde, soll der Cheflinke und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Walter Zuckerer vor seinen Övelgönnern eingeräumt haben. Wir wurden aufgefordert, „zusammenzustehen, um Britta durchzusetzen“, berichtet einer, der dabei war. Zu den Fraktionslinken wird eine leichte Mehrheit von 28 bis 30 Mitgliedern der 54 SPD-Abgeordneten gezählt.
Der „Keller“, das Plenum der SPD-Rechten, bezweifelt „nicht im Grundsatz“ das Vorschlagsrecht der Linken für diese Funktion. Doch die 39-jährige Sozialökonomin in der Stadtentwicklungsbehörde gilt als unwählbar: Die Gattin des frisch gewählten linken Parteichefs Olaf Scholz sei dessen „verlängerter Arm in der Fraktion“, befürchtet ein SPD-Rechter. Das könne „Holger sich nicht bieten lassen“.
Er verstehe gar nicht, warum „die Rechten diese Kraftprobe provozieren“, schüttelt ein Linker wiederum treuherzig den Kopf. In eineinhalb Jahren ist Bürgerschaftswahl, da gebe es wichtigeres als „einen Flügelstreit über Posten und Personen“. Womit der Mann recht haben könnte. Sven-Michael Veit
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