piwik no script img

Es lebe die Infografik!Das Eis ist zu heiß – der ultimative Bremer Wetter-Index

■ Wieso wird gerade jetzt so oft vom Paradigmenwechsel im Feuilleton geredet? Ein Grund: Das alte Paradigma ist wohl nicht mehr gültig

Viele Worte kann man verlieren. Man kann's aber auch sein lassen. Wozu viel schwatzen, wo man doch eh nur das Wesentliche wissen muss. Die ganze Welt von Kultur, Politik und Sport auf einen Blick – kein Problem. Kurzum: Der Content-Junkie von heute braucht Quickie-Infos! Im Klartext: Die Infografik muss her! Heute: Das Eis ist heiß – die Wettergrafik zum Einscannen!

„Alle reden über das Wetter. Wir nicht“, schrieb einst der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) auf ein puterrotes Plakat mit Marx-, Engels- und Lenin-Bildern. Tja; hätte der SDS damals andere Prioritäten gesetzt, wäre die Welt jetzt womöglich eine andere. Denn wer redet heute noch über den SDS?

Über das Wetter aber reden wir noch immer mit ungebrochener Leidenschaft. So mancher unserer Radiosender in unserem Land Bremen müsste gar mangels Alternativen den Betrieb ganz einstellen, dürstete es uns Menschen nicht fortwährend danach, etwa von der „frühesten Frühaufsteherin Bremens“ im 5-Minuten-Takt über das „Pit Anderson Radarwetter“ in Kenntnis gesetzt zu werden.

Nun weiß der lebenskluge Hanseat, dass kein Pit der Welt je etwas an den beiden ehernen Grundkonstanten des Bremer Wetters wird ändern können: Es regnet – und manchmal regnet es halt nicht. Kein wirklich ergiebiges Terrain für spekulative Geister also. Und gar eine Katastrophe ist dieses Wetter für jene Wetter, die alljährlich im Januar am Flussufer stehen und darüber sinnieren, ob „de Werser geiht oder steiht“.

Da steiht aber schon ziemlich lange nichts mehr, und auch heute um 12 Uhr wird das Schneiderlein vergebens am Punkendeich nach Gefrorenem Ausschau halten. Wir, Ihre kleine Heimatzeitung also, haben alle Kosten und Mühen gescheut und die Unternehmensberatung Mummert und Partner beauftragt, eine Langzeit-Studie über das voraussichtliche Januarwetter in den nächsten 20.000 Jahren zu erstellen. Wir zitieren das Mummert-Fazit: „Es ist zu heiß für Eis.“

Vielleicht arbeitet ja die globale Klimaerwärmung der Bremer Tradition zu, so dass die „Eiswette“ nur leicht modifiziert wenigstens als „Schweißwette“ wird weiter bestehen können. Sobald Pit Andersons Radar dafür die ersten Anzeichen auf dem Schirm hat, melden wir uns wieder.

Bis dahin aber gilt der taz-Wetter-Index ohne Abstriche – und die Chancen sind groß, dass die „Eiswette“, sollte sie die Herausforderungen des neuen Milleniums weiter ignorieren, wohl eher als „Scheißwette“ in die Annalen eingehen wird.

Sie sehen: Infografiken sind toll. Keine Infografiken aber sind toller (Quelle: Datastream), weshalb wir unsere kleine Infografik-Serie hiermit beenden. Zappen Sie am Montag trotzdem rein. Dann regieren wieder die graugesichtigen KulturredakteurInnen das Blatt und berichten in bewährter Adorno-Schulaufsatzlänge über das Chaos um sie herum. Das wissen wir aus verlässlicher Quelle (Quelle: Datastream). taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen