piwik no script img

Es jenningert wieder

■ Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Wagner zieht Parallelen zwischen der „DDR-Revolution“ und 1933

Berlin (taz) - Der Jenninger muß den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Carl-Ludwig Wagner geritten haben, als er am 7. Dezember in seiner Regierungserklärung vom Redemanuskript abwich. Wörtlich erklärte der CDU-Landesherr zur deutsch-deutschen Entwicklung in nun freier Rede: „Unsere Landsleute haben den Wandel bei sich selbst eingeleitet. Ihr kraftvolles, mutiges und friedliches Eintreten für grundlegende Reformen in der DDR ist ein Ereignis von historischem Zuschnitt, eine erfolgreiche Revolution in unserer an solchen Ereignissen armen Geschichte. Zu keinem Zeitpunkt seit 1933, vielleicht sogar seit 1914 hat das deutsche Volk mit so großer Zuversicht der Zukunft entgegensehen können wie heute.“

Daß das deutsche Volk ausgerechnet zu Beginn der dunkelsten Kapitel seiner Geschichte, bei der Machtübernahme der Nazis und der Anzettelung des ersten Weltkrieges, „mit großer Zuversicht der Zukunft entgegensehen konnte“, ließ Wagners Zuhörer den Atem stocken. Im Redemanuskript hatte der Ministerpräsident noch das Hambacher Fest (1832) und die erste deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche (1848) als mit der Entwicklung in der DDR vergleichbare Positiv -Daten auf dem Plan gehabt. Schlampige Wortwahl? Ein historischer Blackout? Eine - wie der SPD -Fraktionsvorsitzende Scharping es nennt - „bodenlose Fahrlässigkeit“?

Das weist die rheinland-pfälzische Staatskanzlei weit zurück. Der Ministerpräsident habe die Jahreszahlen 1914 und 33 deshalb genannt, weil sie in diesem Jahrhundert innerhalb der deutschen Geschichte für schreckliche Ereignisse stehen. Für eine öffentliche Richtigstellung oder gar Entschuldigung sieht man daher keine Veranlassung, und ein offener Brief, in dem die SPD eine Stellungnahme verlangt, blieb bisher unbeantwortet. Wenn das auch nach einer Denkpause über die Weihnachtstage so bleibt, wird die Wagner-Äußerung sicher gleich in der ersten Januarsitzung des Landtags ein parlamentarisches Nachspiel haben.

Ve.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen