: „Es ist immer ein Kompromiss“
750. „TATORT“ Die Jubiläumsfolge kommt aus Stuttgart. Wieso hat die Autorin Katrin Bühlig früher Dokumentarfilme gedreht?
■ Start als Gameshow-Redakteurin, von 1992 bis 1997 Studium in Ludwigsburg, erste Dokfilme (u. a. über Jopi Heesters)
■ 2000 Umstieg zum Krimi, 2008 Deutscher Fernsehpreis für „Bella Block – Weiße Nächte“
Interview David Denk
taz: Frau Bühlig, Sie sind auf Krimis spezialisiert. Wie fix wissen Sie in Filmen anderer, wer der Mörder ist?
Katrin Bühlig: Ich gehe immer sehr stark mit dem Film mit, also nicht so schnell – es sei denn, es wird mir zu leicht gemacht, zum Beispiel, wenn der Mörder etwa zu prominent besetzt ist. Da kann man davon ausgehen, dass er der Täter ist, auch wenn es die Geschichte noch nicht verrät. Oft wache ich nach einem Krimi nachts auf und denke: Das kann die Figur doch gar nicht gewusst haben. Direkt nach dem Film kann ich nur sagen: berührt mich oder berührt mich nicht, gefällt mir oder gefällt mir nicht. Für eine genaue Analyse brauche ich Zeit.
Früher haben Sie Dokumentarfilme gemacht. Wie kommt man von dort zum Krimi?
So weit ist der Weg doch gar nicht. Für mich steht in beiden Berufen die Recherche sehr im Mittelpunkt. Früher habe ich daraus dann einen Dokumentarfilm gemacht und heute schreibe ich eben ein Drehbuch. Es hat aber auch eine ganz private Geschichte: Ich hatte damals einen Freund, der Drehbücher geschrieben hat. Irgendwann haben wir angefangen, zusammen zu schreiben, und als wir uns getrennt haben, dachte ich: Das kannst du auch allein. Und ich hatte Glück. Mein erstes eigenes Drehbuch war ein Film für die Reihe „Bella Block“.
Sie waren als Studentin schon „Bella Block“-Fan – machte einen das damals nicht zwangsläufig zum Außenseiter?
Der war ich sowieso, denn bevor ich nach Ludwigsburg kam, habe ich bei einer Tochterfirma der Bavaria gearbeitet und Gameshows produziert, u. a. mit Dieter Hallervorden. Eines Tages hat dann der Regisseur Max Färberböck an der Akademie den zweiten Bella-Film „Liebestod“ vorgestellt. Den fand ich grandios. Seitdem bleibe ich meistens zu Hause, wenn „Bella Block“ läuft, weil die Filme Themen haben, die mich interessieren.
Welche sind das?
Sie müssen eine soziale oder gesellschaftliche Relevanz haben. Luxusprobleme interessieren mich nicht. „Derrick“ wäre nichts für mich gewesen. In meinen nächsten Büchern geht es zum Beispiel um Koabhängigkeit, Armut und Obdachlosigkeit, Themen, die es schwer in einem Fernsehspiel hätten, aber im Krimi funktionieren. Ich schreibe nur Krimis, damit ich diese ganzen Themen unterbringen kann.
Zwischen den Jahren läuft Ihr „Tatort: Altlasten“ (27. 12., 20.15 Uhr, ARD). Wie streng sind bei so einer Reihe die Vorgaben?
Es ist natürlich immer ein Kompromiss. Die Charaktere der Kommissare sind ja vorgegeben. Ich als Autorin würde sofort sagen: Bootz, der ja einer der wenigen TV-Kommissare mit intakter Familie ist, der muss Eheprobleme kriegen. Das schreibt sich einfach schöner. Harmonie ist im Film nun mal langweilig. Aber da würde die Redaktion streiken: Die Figuren brauchen nach vier Filmen ja noch Entwicklungsmöglichkeiten.
Wie oft ärgert Sie die Ängstlichkeit von Redakteuren?
Wenn du als Autorin frei sein willst, musst du Romane schreiben. Bei einem Film reden viele Leute mit. Darauf musst du dich einlassen. Die Kunst besteht darin, durchzusetzen, was dir wirklich wichtig ist.
Wie viel verraten Ihre Bücher über Sie?
Viel. Es sind zum Teil meine Gedanken, Ängste oder Wünsche, die in die verschiedenen Figuren fließen, ohne den jeweiligen Film als Therapie zu missbrauchen. Ich glaube daran, dass man in die Tiefe gehen muss – und sei es bei sich selbst –, um wirklich glaubwürdig zu sein.
Ein Beispiel aus „Altlasten“?
Wer mich kennt, weiß, dass ich alte Leute liebe. Wenn man sieht, wie liebevoll das alte Ehepaar miteinander umgeht, dann kommt das meiner Wunschvorstellung schon sehr nahe. Auch manche Dialoge könnte ich mit meiner Schwester genauso führen wie die Geschwister im Film. Und einige Namen sind wie immer aus meinem Bekanntenkreis geklaut.
Wie immer?
Ja. Falls zum Beispiel ein Arzt in einem Film gebraucht wird, heißt er mit Nachnamen immer Slowinski, denn so heißt meine Schwester, die auch Ärztin ist.
Wie lange braucht so ein Buch?
Im Durchschnitt vom der Ideenskizze bis zur Drehfassung etwa ein Jahr, ich habe aber auch schon mal eins in drei Monaten geschrieben. Normalerweise kostet die Recherche ewig Zeit, weil ich erst schreiben kann, wenn ich mein Thema verinnerlicht habe.
Fühlen Sie sich fair bezahlt?
Im Rahmen dessen, was man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verdienen kann, werde ich ordentlich bezahlt. Was mir allerdings viel zu kurz kommt, ist der Respekt vor der Arbeit von Drehbuchautoren. Wie oft Regisseure die Lorbeeren einheimsen für eine Drehbuchleistung! Das ärgert mich.