: „Es geht um gut oder blöd“
■ Über Bremens Kulturprojekten liegt ein Tiefdruckgebiet / Die Senatorin hat Ruh
Die Welt ist im allgemeinen kulturfeindlich. Falls es davon Ausnahmen gibt, dann im Bereich niederer Trink- und Klamaukkultur. Die „Soziokultur“ jedenfalls, die 23 Bremer und- Bremerhavener Einrichtungen in der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziokultur für sich beanspruchen, scheint sich auf feindlichem Terrain zu bewegen. Das frustriert – und nagt an der Identität der Kulturschaffenden in Stadtteilläden, Kulturhäusern und Theatergruppen. Diesen Eindruck jedenfalls hinterließ eine Diskussion, zu der die Arbeitsgemeinschaft am Donnerstag ins Kubo geladen hatte.
Es war die zweite öffentliche Veranstaltung seit der Gründung der LAG vor eineinhalb Jahren, doch in der bremischen Öffentlichkeit stieß sie auf Null Resonanz. Vielleicht, weil die kulturinteressierten BremerInnen sich unter dem Veranstaltungsthema „Unten Pflaster, oben Himmel – Kultur ohne Grenzen auf Bremens Straßen und Plätzen“ ebensowenig vorstellten, wie die VertreterInnen der Kulturprojekte – aber das sollte sich am Donnerstag abend erst nach über einstündiger Diskussion herausstellen.
Zuvor senkte sich ein Tiefdruckgebiet über die rund 30 Anwesenden. Nur einmal wurde es von Heiterkeit durchbrochen: als Marcel Pouplier vom neu benannten Quartier e.V., dem ehemaligen „Verein zur Förderung der kulturellen Breitenarbeit“, daran erinnerte, daß neuerdings immerhin das schöne Sommerwetter die öffentliche „Bespielung“ von Plätzen leichter zuließe. Aber da schwebten schon die nächsten finsteren Wolken heran: Auf ein zunehmend „kulturvernaschtes“ Publikum sei immer weniger Verlaß – und außerdem gebe es eine unselige Dominanz kommerzieller Agenturen, die den öffentlichen Raum besetzten. Beispiel eins: Viertel-Fest mit Bierständen und Rumtata. Beispiel zwei: Bürgerweide mit immer mehr Messehallen und immer weniger frei verfügbarem Raum. Beispiel drei: Die Lloyd-Passage mit eingeschränkter Nutzung durch freie Gruppen; stattdessen übe Karstadt dort das Hausrecht aus, hieß es.
Hier hätte die Diskussion interessant werden können, doch mehr als die müde Frage: „Wollen wir uns als Projekteverbund im Stadtzentrum einmischen. Ist das das Thema des heutigen Abends?“, kam kaum zustande. Behauptungen, daß „die Soziokultur“ einen direkteren Bezug zu den Menschen und ihren Plätzen im Stadtteil habe als Veranstaltungsagenturen beispielweise, brauchten nicht belegt zu werden. Konkreten Angeboten, den Beweis anzutreten, ging man aus dem Weg.
Dem Viertelbürgermeister Robert Bücking, dem einzigen Gast des Abends, der nicht täglich in der Kulturszene schmort, wurde beispielsweise abgewunken: Ob das abgewirtschaftete Viertelfest per Stadtteilkultur wiederzubeleben wäre, sollte kein Thema werden, „weil wir hier über das diskutieren wollen, was uns gefällt.“ Auf die Ersatzbank für mißratene Veranstaltungen wollten die Projekte sich nicht setzen lassen. Bückoings Provokation, es gehe doch nicht um kommerziell contra soziokulturell, „sondern um gut oder blöd“, wurde kaum aufgegriffen. Doch möglicherweise wird man seinen Apell, die Stärke der Kulturprojekte öffentlichkeitswirksam zu belegen, bald aufgreifen. Schließlich muß vor den Haushaltsdebatten erst noch eine neue Kultursenatorin in Schwung gebracht werden. ede
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