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Archiv-Artikel

Es geht um ein Haus

Die Zeitungsverleger wollen den Arbeitnehmern massiv an Geldbeutel und Freizeit. „Ein Horrorszenario“, finden die beiden Gewerkschaften

VON THILO KNOTT

Manch Gewerkschafter, sagen wir mal aus der IG Metall, könnte momentan ganz schön hämisch sein. „Seht her, ihr Journalisten“, könnte er feixen, „jetzt bekommt ihr mal zu spüren, was es heißt, länger arbeiten zu müssen und weniger Geld dafür zu bekommen! Mal sehen, ob ihr uns weiter als Blockierer verunglimpft, wenn wir gegen die Arbeitgeber kämpfen!“ Na ja, die Rechnung geht natürlich nicht auf: Auch Journalisten sind in Gewerkschaften organisiert. Sogar in zweien, dem Deutschen Journalistenverband (DJV) und der Ver.di-„Tochter“, der Deutschen Journalisten Union (DJU). Und diese sehen sich in den Tarifverhandlungen, die heute in Frankfurt in die dritte Runde gehen, mit Forderungen der Verleger konfrontiert, die wohl nicht einmal der größte Gewerkschaftsfeind – sagen wir mal: der IG Metall – wünschen würde.

Der Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat schon alle Karten auf den Tisch gelegt: Erhöhung der Arbeitszeit von 36,5 auf 40 Stunden; Kürzung der Urlaubstage von 35 auf 30; Kürzung des Urlaubsgelds von 100 auf 68 Prozent eines Monatsgehalts; Einschnitte bei der Anrechnung der Berufsjahre. Alles Arbeitsbedingungen, die vor allem den Manteltarifvertrag betreffen – und der ist seit Ende 2002 gekündigt. „Ein Horrorszenario“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner der taz, „die Verleger wollen ans Eingemachte.“ Er rechnet vor, dass einem Journalisten mit 30 bis 35 Berufsjahren 240.000 Euro entgehen würden, sollte der BDZV mit allen Forderungen durchkommen. Zörner: „Das ist ein Einfamilienhaus.“ Nach Berechnungen der Ver.di-Organisation DJU würde das Einkommen „um durchschnittlich 10.000 Euro pro Jahr abgesenkt“, sagte deren Tarifsekretär Matthias von Fintel der taz.

„Die Gewerkschaften übertreiben maßlos“, heißt es beim BDZV, es gehe nur um „maßvolle Änderungen“ und Sicherung „der Qualität unserer Zeitungen und Arbeitsplätze“. Der Verband verweist auf die schlechte Lage vieler Verlage, die unter der Konjunktur- und Anzeigenkrise litten. 2001 haben die Zeitungen nach BDZV-Angaben aus Anzeigen nur noch 5,996 Milliarden Euro eingenommen (Minus 14 Prozent), 2002 waren es 5,273 Milliarden Euro (Minus 12 Prozent). 2003 wird es nicht besser: Das Minus beim Anzeigenvolumen liege bei 7,9 Prozent.

Die Gewerkschaften halten dagegen: „Wir wollen keine Managementfehler ausbaden“, sagt DJV-Mann Zörner. Die Verlage hätten in Zeiten des Booms keine Rücklagen gebildet, in Osteuropa „viel Geld versenkt“. Gleichwohl könne man die wirtschaftliche Situation der Verlage nicht ignorieren. Deshalb sei man bereit, über Öffnungsklauseln im Tarifvertrag zu reden, sagt Zörner. Oder über Arbeitszeitflexibilisierung mittels Gleitzeitkonten, sagt von Fintel. Und: Beim Gehalt wolle man maßvoll abschließen.

Doch über Gehalt wurde bis dato noch überhaupt nicht geredet. Mit gutem Grund: „Wir müssen den Manteltarifvertrag schließen, um den rechtlichen Schwebezustand zu beenden“, sagt Zörner, „da kommt es nicht auf Prozente an.“

Ein weiteres Problem: Die Tarifpartner sind sich selbst nicht immer grün. Während Zörner (DJV) sagt, die Tarifpartner hätten „immer an einem Strang“ gezogen, spricht von Fintel (DJU) zumindest von einer „schwierigen Konstellation“. Innerhalb Ver.dis wird der DJV gerne als „Chefredakteursgewerkschaft“ geschmäht, während Ver.di selbst nicht nur Redakteure, sondern auch Verlagsmitarbeiter, Schriftsetzer oder Drucker in der Mitgliederkartei stehen hat. Zoff gab es schon des öfteren, bei der Festlegung auf die Arbeitszeit zum Beispiel: Die Ver.dianer wollten die 35-Stunden-Woche, doch der DJV unterschrieb den Tarifvertrag mit 36,5 Stunden. Die DJU musste klein beigeben. Unter großem Murren.

Nur „mit Mühe“ komme man mit der „berufsständischen und konservativen“ DJV „auf gemeinsame Positionen“, sagte ein Ver.di-Mann und Mitglied der Tarifkommission der taz, das sei „immer ein Ärgernis“. Und: „Wir können die Tarifpartnerschaft nicht von heute auf morgen aufkündigen, aber den Konflikt müssen wir mal austragen.“

Der Verlegerverband hat Präferenzen. Der DJV, ebenso wie der BDZV jahrelang mit Sitz in Bonn, sei eben ein „reiner Journalistenverband“, heißt es in der Berliner Verbandszentrale, und „als Gegner und Partner einfacher zu behandeln“.

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