Erweiterter Kunstbegriff: Feminismus mit Holzhammer und Humor
Die Kestnergesellschaft in Hannover zeigt eine große Ausstellung der Künstlerin Elke Krystufek. Sie ist mindestens so gut wie ihr reichlich turbulentes Zustandekommen.
Man(n) schlug die Pressemappe auf und wusste gleich: Elke Krystufek ist ein harter Brocken. "Wunschgemäß", heißt es da, sei der Künstlerin die Presseerklärung zur Überarbeitung überlassen worden. Sie verstehe "ihre Überarbeitung im Sinne eines KünstlerInnentextes". Als Krystufek später neben Veit Görner, dem smarten Chef der renommierten Hannoverschen Ausstellungshalle, Platz genommen hatte, war das Klima so frostig wie draußen vor der Tür.
Man versicherte zwar, eine schöne Ausstellung zusammengebracht zu haben, aber Görner konnte nicht verhehlte, dass ihm die Dame gehörig auf den Nerven herumgetrampelt war - und umgesetzt hatte, was im Pressetext angedroht war: nicht weniger als eine feministische Attacke auf die "männerdominierte Kunstinstitution". Und das mit dem "weiblichen Holzhammer".
Den, so die Künstlerin, habe es auch gebraucht, um "allen 7 ausschließlich männlichen Vorstandsmitgliedern, dem aus 18 Männern und 1 Frau bestehenden Kuratorium, sowie dem männlichen Direktor und dem männlichen Kurator klarzumachen, was feministische Gegenwartskunst" sei.
Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt malträtierte die heute 39-Jährige 1990 ihren nackten Körper mit Pinsel und Messer
1992 veröffentlichte sie eine Liste aller Galeristen, mit denen sie geschlafen hat.
1994 masturbierte sie im Rahmen einer Performance in der Wiener Kunsthalle mit einem Wasserschlauch.
2003 hieß ihre erste Einzelausstellung "Nackt & Mobil".
2009 vertrat sie mit Dorit Margreiter und den Weibergers Österreich auf der Bienale in Venedig.
"Less Male Art" ist nun bis zum 7. Februar in Hannover zu sehen. Infos: www.kestner.org
Ganz Anhängerin eines erweiterten Kunstbegriffs, holte Krystufek schon weit im Vorfeld zum Erstschlag aus: Im Mittelpunkt der Kestner-Schau sollte ein Videofilm stehen, der sich mit den Südsee-Utopien der Avantgarden auseinandersetzt. Arbeitstitel "Palau". Auf den Spuren des Expressionisten Max Pechstein, er hatte die gleichnamige Insel 1914 besucht, reiste Krystufek in den pazifischen Ozean. Im Gepäck neben Kamera und Skizzenblock ein männliches Modell.
Aus- und eingeladen
Die Reisekosten liefen allerdings derart aus dem Ruder, dass Görner den Filmschnitt nicht mehr bezahlen konnte oder wollte. Nach weiteren Unstimmigkeiten und Streitereien sagte die Deutsch-Österreicherin die Ausstellung kurzerhand ab - zwei Tage vor der geplanten Eröffnung am 4. Dezember. "Die künstlerischen Forderungen und die organisatorischen Möglichkeiten der Veranstalter" passten nicht zusammen, hieß die Sprachregelung. Man schätze Elke Krystufek aber weiterhin als Künstlerin, "nicht zuletzt aufgrund ihrer institutionenkritischen Arbeitsweise", ließ Görner verlauten und holte sie wieder ins Boot. Schließlich muss sein Haus über die besucherträchtigen Feiertage irgendetwas anzubieten haben.
Einige Kunstkritiker fielen daraufhin in die branchenübliche Schwerdenkerei. "Ist diese Absage Kunst", fragte sich die Neue Presse, während die Hannoversche Allgemeine unwidersprochen Krystufek-Sätze wie diesen druckte: "Geld ist ohnehin nicht immer der bestimmende Faktor für erfolgreiche Kunstproduktionen." Da hat der Kestner-Chef wahrscheinlich schmerzlich aufgelacht - sein Haus muss ohne einen Cent öffentliche Subventionen auskommen.
Den Betrieb vorgeführt
Auch die Künstlerin dürfte sich gefreut haben, wie einfach es mancherorts ist, den Betrieb vorzuführen. Sie jedenfalls ließ den Holzhammer munter weiter kreisen. Um das Filmprojekt zu retten, bekam sie von der Kestnergesellschaft ein Darlehen. Krystufek warf die Kamera und hielt die Korrespondenz mit Veit Görner vor das Objektiv. Der geistert anfangs als stetig mahnender "Moritz" durch den Streifen, läuft jedoch am Ende zu ganz großer Form aufläuft, wenn er der eigenwilligen Heroine mit sprühenden Geistesfunken Kontra gibt.
Der Film ist urkomisch und verschafft dem Laien Einblicke in das Kunstgetriebe, die er nicht vergessen wird. Überdies stellt er bei allem kleinteiligen Irrsinn auch große Fragen nach dem Sinn von Kunst, dem Zusammenhang von Kapital und Kreativität - und unter welchen Bedingungen letztere heutzutage zu haben ist. Das Werk heißt nun "Palau 1 - below the male belt", weil es, so Krystufek, "obskure Vorgänge unterhalb der männlichen Gürtellinie verhandelt". Als da sind "Begehren, Frustration, Eindruck schinden und Verstecken".
Die Künstlerin indes versteckt nichts. In der oberen Etage hat sie das Inselmodell nackert auf Ölbilder gebannt. Dort hängt er mit wallender Jesus-Matte und üppigem Gemächt neben anderen Unbekleideten oder auch Porträts von verehrten Künstlern. Im Nebenraum hat sie die Namen aller je in der Kestnergesellschaft Ausgestellten an die Wand gemalt: 391 Männer in Blau, 32 Frauen in Rot. Das mag Feminismus mit dem Holzhammer sein. Ästhetisch aber macht es, wie die Ausstellung insgesamt, bella figura. So haben die Männer der Kestnergesellschaft wenigstens nicht umsonst gelitten.
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