Erstmals eine Frau an der Spitze: Unesco wird weiblich
Die bulgarische Diplomatin Irina Bokowa setzt sich im fünften Anlauf gegen den Ägypter Faruk Hosni durch. Der war wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geraten.
PARIS taz | Ein "Sieg der Moral über die Realpolitik", triumphiert der Pariser Medienphilosoph Bernard Henri-Lévy. Ein "Affront des Westens gegen die arabische Welt", bedauert der Präsident der ägyptischen Schriftstellervereinigung, Mohammed Salmaoui. Beide kommentierten die Wahl der Bulgarin Irina Bokowa an die Spitze der UN-Organisation für Erziehung, Kultur und Wissenschaft, Unesco.
Die 57-jährige Diplomatin Bokowa wird die erste Frau an der Spitze der Unesco. Doch Bokowa wurde nicht ob ihrer Qualitäten gewählt. Bis zum Dienstagabend war sie eine Außenseiterin. Erst am Dienstag - im fünften Durchgang - schaffte sie mit 31 von 58 Stimmen im Exekutivrat den Durchbruch. Zuvor hatten sich alle anderen KandidatInnen, darunter Österreichs EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, aus dem Rennen zurückgezogen. Bis auf einen.
Der fünfte Wahldurchgang war der letzte. Wäre er ebenfalls unentschieden ausgegangen, hätte die Unesco ihre/n ChefIn im Losentscheid bestimmen müssen. So wollen es die Statuten. Doch im fünften Anlauf kam der Favorit für den Posten, der ägyptische Kulturminister Faruk Hosni, nur noch auf 27 Stimmen.
Hosni, der seit 22 Jahren als Minister in Kairo die Islamisierung von Kultur und Medien in seinem Land begleitet, war der Favorit der Arabischen Liga, der Favorit der Union der arabischen Staaten und der Favorit der Islamischen Konferenz. Auch Frankreichs Staatschef unterstützte ihn. Nicolas Sarkozy sitzt mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak der Mittelmeerunion vor und sieht in Ägypten den wichtigsten arabischen Vermittler bei den verschiedenen Konflikten im Nahen Osten. Auch die israelische Spitze zog im Mai ihre ursprüngliche Opposition gegen den ägyptischen Kandidaten zurück.
Doch dann starteten drei jüdische Intellektuelle eine Kampagne. In einem Text in Le Monde warnten der Pariser Philosoph Henri-Lévy, der Filmemacher Claude Lanzmann und der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel vor dem Antisemitismus von Hosni. Der hatte erklärt, falls es hebräische Bücher in ägyptischen Bibliotheken gäbe, würde er sie persönlich verbrennen. Hosni bedauerte wenig später die Äußerung. Als Beleg für seine kulturelle Aufgeschlossenheit und Dialogbereitschaft verwies der Kandidat unter anderem darauf, dass er gegenwärtig Synagogen in Ägypten restaurieren lässt. Die Entschuldigung des Ägypters kam aber offensichtlich zu spät.
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