Erstmals Ex-Bundespräsident vor Gericht: Verfahren gegen Wulff beginnt
Am Donnerstag beginnt das Verfahren gegen Christian Wulff wegen Bestechlichkeit. Die Einstellung gegen eine Geldauflage hatte er abgelehnt, er will einen Freispruch.
HANNOVER dpa | Mehr als anderthalb Jahre nach seinem Rücktritt als Bundespräsident muss sich Christian Wulff von diesem Donnerstag an wegen Vorteilsnahme vor Gericht verantworten. Damit ist erstmals ein ehemaliges Staatsoberhaupt der Bundesrepublik angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft wirft Wulff vor, sich in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident korrupt verhalten zu haben, als er sich von dem befreundeten Filmunternehmer David Groenewold 2008 zu einem Oktoberfestbesuch in München einladen ließ. Später warb Wulff bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Filmprojekt des Unternehmers um Unterstützung. Groenewold sitzt deswegen mit auf der Anklagebank, er muss sich wegen Vorteilsgewährung verantworten.
Im Zuge der Untersuchungen prüfte die Justiz diverse Vorwürfe gegen Wulff. Am Ende stellte sich heraus, dass fast alle strafrechtlich bedeutungslos waren. Angeklagt ist Wulff deswegen jetzt nur noch wegen rund 700 Euro, die Filmproduzent Groenewold unter anderem für Hotelübernachtungen bezahlt haben soll, als Wulff 2008 mit seiner Frau das Münchner Oktoberfest besuchte.
Die Staatsanwaltschaft hatte nach Abschluss der Ermittlungen angeboten, das Verfahren gegen 20.000 Euro Geldauflage einzustellen. Groenewold hätte 30.000 Euro zahlen sollen. Beide lehnten das ab.
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Hannover hat für das Verfahren 22 Verhandlungstage bis Anfang April kommenden Jahres angesetzt. 46 Zeugen sind geladen, darunter auch einige Prominente.
Für den ersten Prozesstag sind noch keine Zeugen geladen. „Der Plan ist, die Anklage zu verlesen“, sagte Gerichtssprecher Martin Grote. Ob es bereits davor Anträge der Verteidigung geben werde, sei offen. Am zweiten Verhandlungstag sollen vier Zeugen aussagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation